Gute Arbeitsmarktpolitik: Wie man Menschen aus Hartz IV holt
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Die Debatte um Hartz IV erlebt aktuell nicht nur im Erneuerungsprozess der SPD ein Comeback. Mit der Frage nach einer besseren sozialen Absicherung durch die Arbeitslosenversicherung haben sich auch Vertreter der Arbeitnehmerkammer Bremen und der Arbeitskammer des Saarlandes (AK), öffentliche Einrichtungen zur Vertretung der Interessen von Angestellten und Arbeitnehmern, beschäftigt. In ihrem jüngsten Bericht an die Regierung des Saarlandes hat die saarländische Arbeitskammer eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, wie die Arbeitsmarktpolitik ausgerichtet werden muss, um die zunehmende soziale Ungleichheit in Deutschland zu überwinden.
Arbeitsmarktpolitik und soziale Spaltung
Denn im Saarland sind heute nur noch 30 Prozent der Arbeitslosen über die Arbeitslosenversicherung abgesichert, erklärt der AK-Vorsitzende Jörg Caspar auf einem Forum unter dem Motto „Mit guter Arbeitsmarktpolitik soziale Spaltung überwinden“ in Berlin. Rund 70 Prozent erhielten 2017 Grundsicherung nach Hartz IV. Für Caspar eine deutliche Fehlentwicklung, die es zu korrigieren gelte. Ziel müsse sein, die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung besonders für langjährig Versicherte wiederherzustellen.
Der Geschäftsführer der Arbeiterkammer Bremen Ingo Schierenbeck stimmt zu. Die Arbeitsmarktpolitik nach Hartz IV sei zu stark darauf fokussiert, Menschen möglichst schnell „zu aktivieren“. Die Vermittlung in Ein-Euro-Jobs habe aber in der Regel nur den bekannten „Drehtür-Effekt“ zum Ergebnis, ehemalige Empfänger würden immer wieder in den Bezug zurückfallen. Umschulungen hingegen seien zu kostspielig.
Arbeitslose besonders von Armut betroffen
Tatsächlich führen Arbeitslose laut Statistik die Gruppe derer an, die am meisten von Armut betroffen sind. Für die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger ein deutlicher Auftrag an die Politik, zu handeln. Das aktuell von der Bundesregierung verabschiedete Teilhabechancengesetz sieht sie als „starkes Signal“, an diesem Punkt voranzukommen. Danach übernimmt der Staat einen Teil der Lohnkosten, wenn Langzeitarbeitslose in eine Arbeitsstelle vermittelt werden. Für die saarländische SPD-Chefin geht es nicht in erster Linie darum, alle Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. „Das ist für viele nicht erreichbar“, sagt sie. Es gehe vielmehr um eine sinnstiftende Tätigkeit jenseits des ersten Marktes.
Mit einer Arbeitslosenquote von unter fünf Prozent und damit der zweitniedrigsten in Europa stehe Deutschland ausgesprochen gut da. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will jedoch bei Durchschnittswerten genauer hingucken. „Die wirtschaftlich gute Entwicklung kommt nicht bei allen an“, betont er. Mit aktiver Arbeitsmarktpolitik wolle er Menschen in Beschäftigung bringen. „Kurzatmige Maßnahmen bringen uns da nicht weiter“, weiß Heil. Für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen würden deshalb ab dem 1. Januar 2019 vier Milliarden Euro zur Verfügung stehen.
Teilhabegesetz als Quantensprung
Doch die Überlegungen könnten hier nicht stehen bleiben. Arbeit sei in einem Veränderungsprozess begriffen. Wie sich Teilhabe durch Arbeit verändere, sei schlecht vorauszusehen, sagt Heil. Da gebe es gute Beispiele, wie durch die Digitalisierung Arbeit humanisiert werden könne und negative, bei denen der technologische Fortschritt nur dazu diene, Ausbeutung voranzutreiben. Dazu zähle er die „miesen“ Arbeitsbedingungen der Kuriere bei Essensdiensten wie deliveroo, foodora oder Lieferheld. Diese hatten jüngst versucht, einen Betriebstrat zu gründen und wurden gekündigt, da sie alle nur befristet beschäftigt waren. Ein Grund mehr, sachgrundlose Befristungen zurückzudrängen, erklärt Heil. Aber auch mehr Sozialpartnerschaft sei nötig, fügt er hinzu. Die Tarifbindung in Deutschland liege unter 50 Prozent. Staatlich verordnen lasse sich das zwar nicht, doch man könne an Rahmenbedingungen feilen. Das Tariftreuegesetz müsse für die „Öffentliche Hand“ gelten. Heil: „Sie darf nicht Handlanger für Sozialdumping sein.“ Darüber hinaus überlegt der SPD-Politiker, ob eine Tarifbindung Unterschiede im Steuerrecht ausmachen könnte.
Klar für Heil ist jedoch, dass die SPD kein „gestörtes Verhältnis zu ordentlicher Erwerbsarbeit“ haben sollte. Das bedingungslose Grundeinkommen hält er aus diesem Grund nicht für zielführend. Die SPD als Partei der Arbeit sollte die Reform der Grundsicherung im Blick haben und auf Teilhabe durch Arbeit setzen. Die Schaffung eines Sozialen Arbeitsmarktes über das Teilhabegesetz sei für ihn ein Quantensprung.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.