Von Melanie Giebel
Der Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit des Freistaates Sachsen und SPD-Vorsitzende Thomas Jurk besuchte im Frühjahr 2008 auf Einladung der sächsischen Partnerprovinz Hubei die
chinesische Hauptstadt Peking und sah sich unter anderem auf den Olympia-Baustellen um. Begleitet wurde Thomas Jurk von Arbeitsschutzexperten sowie Unternehmens- und Gewerkschaftsvertretern aus dem
Freistaat Sachsen, denn im Mittelpunkt der Reise standen Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
Arbeitsschutz ist Menschenrecht
Nach Jahrzehnten riesigen Wirtschaftswachstums rücken seit einigen Jahren auch in China soziale Aspekte der Arbeit stärker in den Fokus. Gute Arbeit, ein gesundes Arbeitsumfeld und weniger
Unfälle sind nicht nur für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Vorteil, sondern wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Mit chinesischen Wirtschaftsleuten und
hochrangigen Politikern wie dem Vizearbeitsminister von China sowie chinesischen Gewerkschaftsrepräsentanten über Arbeitsschutz zu reden, bedeutet für den sächsischen Arbeitsminister, auch über
Menschenrechte zu sprechen. "Der Schutz vor ausbeuterischen und unwürdigen Verhältnissen am Arbeitsplatz ist ein Menschenrecht", betonte Thomas Jurk auf seiner Reise. Sichere und gesunde
Arbeitsbedingungen seien von je her ein Kernanliegen der deutschen Arbeiterbewegung gewesen und die chinesischen Arbeiter forderten dieses Grundrecht jetzt auch mehr und mehr für sich ein.
Arbeitnehmerschutz und Wirtschaftlichkeit
Die chinesische Führung habe dies erkannt und setzt nicht mehr allein auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. Daher ist man in China - das konnte Thomas Jurk während seiner Reise und dem
Besuch in Unternehmen immer wieder feststellen - sehr an diesem Thema und an den sächsischen Erfahrungen interessiert. Sachsen hat mit rund 100.000 Betriebsprüfungen im Jahr, dem Dialog in der
Arbeitsschutzallianz Sachsen und der Beteiligung an EU-weiten Projekten umfangreiche Erfahrungen mit der Balance zwischen Regeln zum Schutz der Arbeitnehmer und der Wirtschaftlichkeit.
Der sächsische Arbeitsminister hat im vergangenen Jahr im Freistaat Sachsen zudem eine Arbeitsschutz-Kampagne gestartet, um für das Thema Arbeitssicherheit zu sensibilisieren und zu
verdeutlichen, dass Mängel im Arbeits- und Gesundheitsschutz auch für die Volkswirtschaft alljährlich zu Verlusten in zweistelliger Milliardenhöhe führen. "Arbeitsschutz und Unfallverhütung sind
entscheidend für den Erhalt der Arbeitskraft der Beschäftigten im Betrieb. Gesunde und motivierte Mitarbeiter sind bei allem technischen Fortschritt maßgebliche Faktoren für eine erfolgreiche
Unternehmensführung", so SPD-Minister Thomas Jurk.
Wirtschaftsfaktor Arbeitsschutz
"Bei der Implementierung von Arbeitssicherheitsnormen in China zu helfen, ist somit auch ein Schritt, dort die Lage der Menschenrechte zu verbessern", meint Jurk. Sicher würden nicht alle
chinesischen Unternehmen von heute auf morgen zu Musterknaben in Sachen Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Dennoch erfolgt ein Umdenken. Arbeitsschutz werde nicht mehr nur als Kosten-, sondern
auch als Wirtschaftsfaktor gesehen.
Das rasante Wirtschaftswachstum in China hat auch eine Ungleichverteilung von Vermögen gebracht. Etwa 200 Millionen Wanderarbeiter und mehrere Millionen Arbeitslose gibt es in China, die von
der Regierung bessere Lebensbedingungen einfordern und sozialen Druck aufbauen. Dem versucht die chinesische Führung mit Maßnahmen zum Aufbau sozialer Standards zu begegnen. Das im Januar
verabschiedete neue Arbeitsvertragsrecht der Volksrepublik China ist modern und entspricht unseren Standards - ist allerdings noch nicht in Kraft getreten.
Gute Gesetze allein reichen nicht
"Es gibt viele gute Gesetze in China, es mangelt häufig an der Umsetzung", so lautete auch die knappe Einschätzung von Constance Thomas, der Repräsentantin der Internationalen Labour
Organization (ILO) in China. Die Regierung widme dem Arbeits- und Gesundheitsschutz verstärkte Aufmerksamkeit, was man allein daran erkennen kann, dass es für den Arbeitsschutz ein eigenes
Ministerium gebe. "Doch das System der Kontrollen implementiere sich nur langsam", sagte Thomas. So seien die Inspektionszuständigkeiten auf verschiedene Ministerien verteilt und China habe die
Konvention 81, das den Aufbau einer unabhängigen, ausschließlich dem Gesetz verpflichteten Arbeitsschutzaufsicht und -kontrolle vorsieht, noch immer nicht ratifiziert.
Konzerne leisten Widerstand
Ein Problem, das der sächsische Arbeitsminister auf seiner Reise auch bei einem Vortrag vor Studenten des Instituts of Industrial Relations ansprach. Das Institut ist nicht nur
Ausbildungsstätte für 5000 Studenten, unter anderem in den Bereichen Arbeits- und Sozialrecht, sondern auch die "Denkfabrik" der Gewerkschaft. "Das Detailwissen der Studenten über Deutschland hat
mich überrascht", so Jurk nach der umfangreichen Fragerunde. "Das deutsche Arbeits- und Sozialrecht genießt in China hohes Ansehen."
Kein Wunder, dass sich seitens internationaler Konzerne gegen derartige Bestrebungen der chinesischen Regierung sofort Widerstand breit macht und einige bereits angefangen haben, ihre
Fabriken z.B. nach Myanmar zu verlagern. Arbeitsminister Jurk ermunterte deshalb während seiner Gespräche die chinesischen Regierung, dem Druck der Konzerne Stand zu halten und das modernes
Arbeitsvertragsrecht auch umzusetzen. Schließlich seien die Menschen doch wichtiger als das Kapital. Diese Zwickmühle ist übrigens ein eindrückliches Beispiel dafür, wie auch China unter den Druck
von entfesselten Märkten und rein profitorientierten globalen Unternehmen gerät. Die Leidtragenden dabei - das ist in China wie auch anderswo - sind die Menschen am unteren Ende der Gesellschaft.
Diese Menschen müssen geschützt werden: In Deutschland, in China und auf der ganzen Welt.
http://www.arbeitsschutz-sachsen.de/
Bildunterschrift:
Minister Thomas Jurk und Yingwei Ma, Kontaktpartner der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH in China, an der Baustelle des Olympiastadions in der chinesischen Hauptstadt Peking.
Foto: Bonss/momentphoto
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