vorwärts: Die SPD will Einkommen ab 64 000 Euro für Singles bzw. 128 000 Euro für Ehepaare höher besteuern. Herr Horn, wie viele Haushalte in Deutschland verdienen mehr?
Gustav A. Horn: Das sind im Grunde genommen nur wenige. Zunächst handelt es sich bei dieser Summe um das zu versteuernde Einkommen und nicht um das Bruttoeinkommen. Das darf danach bei knapp 70 000 Euro für einen Single und bei 140 000 Euro für Ehepaare liegen. Es ist nur eine kleine Minderheit, die von diesen Steuererhöhungen betroffen sein wird. Wenn das Durchschnittseinkommen in Deutschland bei derzeit ungefähr 3400 Euro im Monat liegt, sieht man ja, wie weit der deutsche Durchschnittsbürger von dieser höheren Besteuerung entfernt ist.
Warum dann diese Aufregung?
Ich glaube, dass hier einige Ressortleiter aus dem eigenen Portemonnaie heraus schreiben. Die mögen sicherlich in diesen Gehaltsklassen sein und regen sich auf.
Arbeit darf nicht höher besteuert werden als Kapitalvermögen, sagt die SPD. Sie will die Abgeltungssteuer anheben. Ein richtiger Schritt?
Ja. Der Steuersatz ist sehr niedrig, was besonders Besserverdienern zugute kommt. Mit einer Doppelstrategie kann man diese Steuersätze erhöhen. Einerseits müssen die Steuersätze heraufgesetzt werden, weil es gerechter ist, andererseits, weil man jetzt im internationalen Verbund auch zu stärkeren Kontrollen über das Verhalten von Unternehmen kommt und sie ihre Gewinne nicht einfach zwischen den Ländern hin- und herschieben können.
Kann so verhindert werden, dass Kapital ins Ausland abwandert?
Ja. Deshalb braucht man internationale Vereinbarungen darüber, dass dies, ganz legal, wie es bisher möglich war, nicht mehr geschieht. Wenn diese Art von Steuervermeidung eingedämmt wird, gibt es für die Unternehmen keinen Anreiz mehr auszuweichen.
Wie sieht das in anderen Ländern aus?
In vielen Ländern ist die Unternehmenssteuer höher als derzeit bei uns. Insofern ist der Anreiz auszuweichen ohnehin schon relativ schwach ausgeprägt. Und mit Ländern, zum Beispiel Österreich oder der Schweiz, wo das nicht der Fall ist, muss man Verhandlungen darüber führen, dass eine solche Verschiebung von Gewinnen nicht mehr möglich ist. Ein ganz besonderer Fall ist Irland. Hier muss man einfordern, dass Grenzen gesetzt werden.
Mehr Steuereinnahmen und weniger Ausgaben bei den Sozialtransfers werden von der Einführung des Mindestlohns erwartet. Hätten mittelständische Unternehmen darunter zu leiden?
Nein. Wir wissen aus Untersuchungen, dass damit kein großes Leid einhergeht. Es ist eine gewisse Umverteilung damit verbunden. Die Gewinne gehen etwas zurück, die Preise steigen ein wenig, aber vor allen Dingen steigen die Einkommen der Beschäftigten und die Einnahmen des Staates.
Wenn Sie das Steuerkonzept der SPD betrachten, zu welcher Bewertung kommen Sie?
Die Verlagerung der Besteuerung in Richtung Vermögen und Kapital ist ein ganz wichtiger Punkt. Das umfasst die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Erbschaftssteuer und die Einführung der Finanztransaktionssteuer. Ich halte es für essenziell, dass die Besteuerung spürbar in diese Richtung ausgedehnt wird und die Arbeitseinkommen nur in der Spitze stärker besteuert werden, da, wo es die große Ungleichheit gibt. Mit diesen Mitteln lassen sich die notwendigen öffentlichen Investitionen und der Schuldenabbau bewerkstelligen.
Gustav A. Horn leitet das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Weitere Informationen:
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat im April eine Steuerschätzung für den Zeitraum 2013-2017 vorgelegt. Darin heißt es u.a.: "An Steuererhöhungen führt daher mittelfristig kein Weg vorbei. Die Oppositionsparteien im Bundestag haben entsprechende Pläne für die kommende Legislaturperiode. Erhöhungen des Einkommensteuertarifs sind dabei ein wesentliches Element. Befürchtungen von höheren Belastungen für die Mittelschicht erweisen sich als unbegründet: Die Mehrbelastungen aller Vorschläge setzen erst bei hohen Bruttoeinkommen ein."
Den IMK Report finden Sie unter: Steuerpolitik am Scheideweg.
Reihe: IMK Report, Nr. 81, April 2013.
Düsseldorf: 2013, ISSN: 1861-3683. 21 Seiten
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.