Grundrechtereport 2021: Ungleiche Freiheiten und Rechte in der Krise
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Dass sich der 25. Grundrechte-Report 2021 „Ungleiche (Un-)Freiheiten in der Pandemie“ schwerpunktmäßig mit den Grundrechtseingriffen im Zuge der Corona-Pandemie ab März 2020 beschäftigt, dürfte nicht verwundern. Der sogenante „alternative Verfassungsschutzbericht“ wirft in diesem Jahr ein Schlaglicht auf die teilweise erheblichen staatlichen Eingriffe der Grundrechte zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Es geht um die Analyse von Entscheidungen, die Parlamente, Behörden, Gerichte aber auch Privatunternehmen treffen und „wie sie unser aller Leben beeinflussen werden“, sagt Naika Foroutan, Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik am Mittwoch bei der Vorstellung in Berlin.
Maßnahmen verstärken Ungleichheit
Sie spricht von ungleichen Freiheiten und Rechten, denn es sei schnell klar geworden, dass Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie Menschen in prekären Lebensverhältnissen besonders getroffen hätten. Es sind die Zumutungen der Beschäftigten im Gesundheitssektor oder die prekären Arbeitsbedingungen in den Schlachtbetrieben, die in den 43 Beiträgen des Berichts deshalb besonders beleuchtet werden, erklärt sie. Sowohl in systemrelevanten Berufen als auch in prekärer Arbeit seien viele Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund zu finden, betont Foroutan. Da in diesen Bereichen kein Homeoffice möglich sei, habe es dort auch höhere Infektionsraten gegeben. Der Report mache somit deutlich, dass sich Ungleichheiten weiter verstärken.
Dass Menschen in Sammelunterkünften besonders gefährdet seien, darauf weist die Mitherausgeberin des Grundrechte-Reports Sarah Lincoln hin und stellt den aus dem Iran geflohenen Kawe Fatehi vor, der dies selbst erlebt hat. Eines morgens Ende März 2020 sei seine Geflüchtetenunterkunft in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) aufgrund mehrerer Covid-Fälle von Polizisten umstellt worden, berichtet er. Es folgten mehrere Wochen kollektiver Zwangsquarantäne, während der sich noch mehr Menschen infizierten, da die Unterbringung weiterhin in Mehrbettzimmern stattfand und man sich zur Essensausgabe in einer Schlange anstellen musste, beschreibt Fatehi. Besondere Rücksichtnahme auf Kinder, ältere Menschen oder schwangere Frauen habe es nicht gegeben.
Ethnische Merkmale als Vorverurteilung
Der Student Mohammed Ali Chahrour von der Neuköllner Initiative „Kein Generalverdacht“ berichtet über das Vorgehen zur Bekämpfung sogenannter Clan-Kriminalität im Alltag, z. B. bei Gewerbekontrollen in Shisha-Bars oder Überprüfungen in Begegnungsstätten mit bewaffneter Polizei. Dieses Vorgehen zeige, wie Rassismus und rechtes Gedankengut auch durch staatliche Instituionen und Praktiken vermittelt werden. Dem liege ein vorverurteilendes Konzept der Clan-Kriminalität zugrunde, in dem Polizei und Sicherheitsbehörden ethnische Merkmale zur Strafverfolgung heranziehen.
„Die Bedrohung durch Rassismus ist allgegenwärtig“, rassistische Anschläge wie in Hanau seien jederzeit möglich, sagt Naika Foroutan. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen den Vorverurteilungen und dem Anschlag von Hanau. Nicht von ungefähr habe sich der Täter eine Shisha-Bar ausgesucht. Gleichzeiitg versagten die Behörden. wenn es darum ging, die Betroffenen rechter Gewalt ausreichend zu schützen. Mit dem Artikel 3 des Grundgesetzes seien allen Bürger*innen ein Versprechen auf Gleichheit vor dem Gesetz und Gleichbehandlung gegeben worden. Nur könne dieses nicht von Menschen gleichermaßen in Abspruch genommen werden, sagt sie.
Über den Bericht
Der Grundrechte-Report erscheint seit 1997 und bewertet seither die Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland. Die 43 Einzelbeiträge im 25. Grundrechte-Report widmen sich aktuellen Gefährdungen der Grundrechte anhand konkreter Fälle des Jahres 2020. Der Report wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben und ist als Taschenbuch im S.Fischer Verlag erschienen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.