Inland

Große Koalition sagt Analphabetismus den Kampf an

Rund siebeneinhalb Millionen Deutsche können nicht richtig lesen oder schreiben. Zu viele, meint die große Koalition. Mit einer „Nationalen Dekade für Alphabetisierung“ sagt sie dem Analphabetismus den Kampf an.
von Kai Doering · 11. Juni 2015
Analphabetismus
Analphabetismus

Die Zahlen sind verstörend: Rund siebeneinhalb Millionen Menschen in Deutschland gelten als „funktionale Analphabeten“. Sie können zwar einzelne Wörter oder Sätze lesen und schreiben, nicht aber zusammenhängende Texte wie Zeitungsartikel, Briefe oder Bücher. Auf 14 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung trifft dies zu. Ein weiteres Viertel der erwerbsfähigen Bevölkerung schreibt fehlerhaft: Rund 13 Millionen Menschen in Deutschland können damit nicht richtig lesen und schreiben.

„Diese Zahlen sind für ein hochindustrialisiertes und wissensorientiertes Land wie die Bundesrepublik Deutschland erschrecken“, meint die Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder. Sie ist  Berichterstatterin der SPD-Fraktion für diesen Bereich und hat gemeinsam mit ihrem Kollegen von der CDU, Xaver Jung, den Antrag „Zugang und Teilhabe ermöglichen“ erarbeitet. Am Donnerstag wurde er in erster Lesung im Bundestag beraten.

20 Millionen gegen Analphabetismus

Die große Koalition fordert darin, eine „Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland“ zu starten. „Hierbei sollen vorhandene und etablierte Instrumente, die sich bereits im Kampf gegen den Analphabetismus bewährt haben, fortgeführt werden“, erklärt Marianne Schieder. Die Fraktionen von SPD und CDU/CSU haben im aktuellen Haushalt die Mittel für den Kampf gegen funktionalen Analphabetismus bereits auf knapp 20 Millionen Euro erhöht.

Mit der nationalen Dekade soll „das Thema auf breitere Füße“ gestellt werden. „Wir wollen das Rad nicht neu erfinden, sondern bestehende Angebote verstetigen“, so Schieder. Ein solches Angebot ist etwa das „Alfa-Telefon“, das Analphabeten anonym Tipps gibt, wo sie sich Hilfe holen können. Auch sollen die Netzwerke der Bundesländer „zu einem nachhaltigen Netzwerk der Akteure der Alphabetisierungsarbeit“ ausgebaut werden. Auch sieht der Antrag die Gründung einer Monitoring- und Koordinierungsstelle unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vor. Dem Bundestag soll alle vier Jahre über die Fortschritte der Nationalen Dekade berichtet werden.

Alphabetisierung im Kochkurs

„Die Ursachen des Analphabetismus sind sehr unterschiedlich – die Angebote für die Betroffenen müssen es deshalb auch sein“, fordert Marianne Schieder. Sie plädiert deshalb dafür, neue Förderformate zu etablieren, „die die gesamte Familie in den Blick nehmen“ und „niederschwellig und zielgruppenorientiert“ sind. So könnten Alphabetisierungskurse etwa in Computer- oder Kochkurse integriert werden. „Das Thema Analphabetismus ist häufig mit Scham besetzt“, weiß Schieder. Dem könne auf diese Weise ebenfalls entgegengewirkt werden.

 „Lesen und schreiben zu können, ist eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.“ Mit der Nationalen Dekade zur Alphabetisierung soll diese mehr Menschen möglich gemacht werden Die Abgeordneten gehen dabei mit gutem Beispiel voran: Eine Zusammenfassung des Antrags soll auch in „vereinfachter Sprache“ veröffentlicht werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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