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Grimm-Benne: „Das wäre sozusagen ein Lockdown für Ungeimpfte.“

Am Donnerstag will der Bundestag das geänderte Infektionsschutzgesetz beschließen. Wichtig ist, dass die Landesregierungen schnell auf die sich ändernde Corona-Lage reagieren können, sagt Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne.
von Kai Doering · 16. November 2021
Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne: Die Lage in den Krankenhäusern macht mir große Sorge.
Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne: Die Lage in den Krankenhäusern macht mir große Sorge.

In den letzten Tagen sind die Corona-Infektionszahlen sprunghaft gestiegen. Die Inzidenz hat erstmals die Marke von 300 überschritten. Das alles trotz Impfungen. Woran liegt das?

Eine Ursache ist sicher die Sorglosigkeit vieler Menschen. Das muss man leider so klar sagen. Wir hatten einen Sommer, in dem die Corona-Zahlen deutlich zurückgegangen sind, die Inzidenzen waren sehr niedrig. Das hat offenbar viele dazu verleitet zu glauben, die Pandemie sei vorbei. Die Menschen haben sich weniger getestet und auch nicht impfen lassen. Auch die Forderungen des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn nach einem Ende der pandemischen Lage waren Ende Oktober sicher nicht hilfreich. Das war für viele das Signal, Corona ist vorbei.

Mediziner*innen warnen inzwischen eindringlich vor einer baldigen Überlastung der Intensivstationen. Wieviel Sorge macht Ihnen das?

Die Lage in den Krankenhäusern macht mir große Sorge. In Sachsen-Anhalt hatten wir im letzten Jahr noch 280 Intensivbetten mehr zur Verfügung, insgesamt 1000. In diesem Jahr haben wir noch 720 betreibbare Intensivbetten. Das liegt nicht daran, dass es keine Beatmungsgeräte gibt, sondern dass Pflegepersonal fehlt. Es gibt einen hohen Krankenstand. Eine große Zahl an Pflegekräften hat den Beruf gewechselt. Sorge macht mir in Sachsen-Anhalt aber auch die demografische Entwicklung. Wir haben bundesweit die älteste Bevölkerung. Diese Menschen sind jetzt besonders gefährdet.

Im Fokus stehen dabei die Pflegeeinrichtungen. Nach der Gesundheitsministerkonferenz Anfang November haben Sie gesagt, Sie hätten eine Abfrage über den Impfstatus in den Pflegeeinrichtungen in Sachsen-Anhalt in Auftrag ergeben. Was hat die ergeben?

Wir haben nach dem Impfstatus in der stationären Altenpflege gefragt, um ein Bild von der Situation zu bekommen. Aus den Rückmeldungen, die wir bekommen haben, lassen sich doch einige Schlüsse ziehen. Laut unserer Abfrage sind etwa 88 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen vollständig geimpft. Zu beachten ist, dass die Bewohnerschaft in den Pflegeheimen auch immer wieder wechselt. Bei den Pflegekräften sind es 74 Prozent. Allerdings gibt es zum Teil große regionale Unterschiede. In manchen Kreisen beträgt die Impfquote beim Pflegepersonal nur 67 Prozent. Das ist ganz klar zu wenig.

Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Eine Impfpflicht für Pflegepersonal kann nur auf Bundesebene durchgesetzt werden und da ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen. Unsere Landesverordnung haben wir dahingehend verschärft, dass ungeimpfte Pflegekräfte vor Dienstantritt täglich getestet werden müssen.

Ende des Monats wird die epidemische Notlage auslaufen und damit die Rechtsgrundlage vieler Corona-Maßnahmen. Die künftige Koalition hat nun Pläne für eine Nachfolge-Regelung vorgelegt. Die Länder erhalten dadurch mehr Entscheidungsbefugnisse. Ist das der richtige Weg?

Das Ziel der Regelung ist, dass mehr in den Parlamenten, entschieden wird. Das ist im Prinzip auch nicht falsch, weil Dinge vor Ort häufig zielgerichteter entschieden werden können. Praktisch sehe ich allerdings die Gefahr, dass Entscheidungen dadurch deutlich verlangsamt werden können, was bei einer derart dynamischen Entwicklung ein Riesenproblem werden kann. Eine Pandemie richtet sich nicht nach politischen Mehrheiten. Die Landesregierungen sollten die Möglichkeit haben, aus einem Instrumentenkasten geeignete Maßnahmen ergreifen zu können, um schnell reagieren zu können. Ich werde mir genau ansehen, was der Bund am Donnerstag entscheidet. Danach werden wir über eine Anpassung oder Änderung unserer geltenden Eindämmungsverordnung entscheiden

Am Donnerstag will nicht nur der Bundestag über eine Nachfolgeregelung der pandemischen Lage entscheiden. Es wird auch ein neues Bund-Länder-Treffen der Ministerpräsident*innen geben. Welches Signal muss davon ausgehen?

Die Runde sollte ganz klar machen, dass trotz Beendigung der epidemischen Notlage von nationaler Tragweite die Situation sehr, sehr ernst ist und dass sie niemand auf die leichte Schulter nehmen darf. Ganz wichtig finde ich deshalb auch den Vorstoß von Hubertus Heil, in Unternehmen eine 3G-Pflicht einzuführen. Ich appelliere an Arbeitgeber, dies bereits jetzt freiwillig umzusetzen. Der Bund sollte den Ländern auch die Möglichkeit geben, 2G einzuführen. Dies wäre sozusagen ein Lockdown für Ungeimpfte.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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