Inland

Griechenland: Warum die SPD den Plan der Grünen ablehnt

Die SPD-Bundestagsfraktion steht in der Kritik: Die Abgeordneten machen sich für eine schnelle Hilfe Geflüchteter in Griechenland stark, stimmen aber gegen einen Vorschlag der Grünen, der das fordert. Doch dafür gibt es eine Erklärung.
von Benedikt Dittrich · 6. März 2020
Das Flüchtlingscamp „Moria" auf der griechischen Insel ist das größte Lager für Geflüchtete auf europäischem Boden – mit geschätzt weit über 20.000 Bewohnern.
Das Flüchtlingscamp „Moria" auf der griechischen Insel ist das größte Lager für Geflüchtete auf europäischem Boden – mit geschätzt weit über 20.000 Bewohnern.

Die Ausgangssituation

Nach der Ankündigung des türkischen Präsidenten Erdogan, die Grenze in Richtung Griechenland für Geflüchtete wieder zu öffnen, kommen wieder mehr Menschen auf den griechischen Inseln an. Flüchtlingslager wie das auf Lesbos sind aber bereits überlastet, über 20.000 Menschen harren dort derzeit aus, warten darauf, dass sie Asyl beantragen können, Der migrationspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lars Castellucci bezeichnete die Lage vor Ort als „katastrophal“.

Was die SPD erreichen will

Die SPD-Spitze hatte bereits am Montag gefordert, vor allem minderjährigen Geflüchteten schnell zu helfen. Dabei wisse die Partei auch die Abgeordneten in der Bundestagsfraktion an ihrer Seite, sagte die Vorsitzende Saskia Esken dazu auf einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus. Gleichzeitig gibt es Bundesländer und Kommunen, die sich vorab schon bereit erklärt hatten, Geflüchtete über die regulären Kontingente hinaus aufzunehmen.

Seither erhöhten die SPD, aber auch andere Parteien den Druck auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), die Aufnahme von Geflüchteten zu genehmigen, denn im Alleingang dürfen Länder oder Kommunen keine zusätzlichen Geflüchteten aufnehmen. Nach einem Beschluss der SPD-Fraktion signalisierte Seehofer auch grundsätzlich Unterstützung für eine europäische Lösung.

Was die Grünen im Bundestag forderten

Am Mittwoch forderten die Grünen in einem Antrag, sofort Geflüchtete von den griechischen Hotspots in Deutschland aufzunehmen sowie die griechischen Behörden bei der Bewältigung der Probleme finanziell und strukturell zu unterstützen. Dafür forderten die Grünen eine namentliche Abstimmung im Bundestag ein. Der Antrag wurde mit breiter Mehrheit abgelehnt – abgesehen von einzelnen Stimmen auch von der SPD-Fraktion.

Warum die SPD gegen den Antrag stimmte

Die Sozialdemokrat*innen favorisieren, anders als im Antrag der Grünen formuliert, keinen deutschen Alleingang zur Lösung des Problems. Das erläuterten denn auch viele SPD-Abgeordnete in einer persönlichen Erklärung, die viele als Begründung für ihr eigenes Abstimmungsverhalten veröffentlichten. „Wir arbeiten derzeit mit voller Kraft an einer Lösung, an der sich nicht alleine Deutschland, sondern wenigstens ein paar andere europäische Staaten beteiligen“, heißt es darin. „Ein deutscher Alleingang kann das Problem nicht lösen.“ Ebenso erwarte die SPD von Innenminister Seehofer, dass er auf EU-Ebene für eine „Koalition der Vernunft“ wirbt. Mit Frankreich, Portugal, Finnland und anderen habe sich dafür bereits eine nennenswerte Gruppe gefunden. Außerdem begrüßen die Abgeordneten in ihrer Erklärung auch explizit die Bereitschaft von Bund und Ländern, Geflüchtete aufnehmen zu wollen.

Darüber hinaus schreibt der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vor, dass gemeinsam abgestimmt wird, also Einigkeit in der großen Koalition herrschen soll. Die CDU war eindeutig gegen den Antrag der Grünen, außerdem wurde die Aufforderung zur namentlichen Abstimmung als Affront gesehen, der die Regierungsparteien vorführen sollte. Insgesamt sahen viele Abgeordnete in der SPD den Antrag als kontraproduktiv an, da er Verhandlungen auf EU-Ebene entgegenstehe.

Wie es jetzt weitergehen könnte

Am Wochenende tagt der Koalitionsausschuss, bei dem die Situation in Griechenland aller Voraussicht nach ein großes Thema sein wird. Neben positiven Signalen aus dem Innenministerium, vor allem unbegleitete, minderjährige Geflüchtete auf mehrere EU-Staaten zu verteilen, setzt sich auch SPD-Außenminister Heiko Maas für eine solche Lösung ein. Langfristig könnte auf der griechischen Insel Lesbos ein Asylzentrum unter europäischer Verantwortung entstehen, auch in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfswerk der UN, dem UNHCR, erklärte Lars Castellucci im Interview mit dem „vorwärts", Ein Pilotprojekt, das auf europäischer Ebene allerdings noch nicht beschlossen ist – derzeit geht es vor allem um eine schnelle Akuthilfe, wie auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius immer wieder erklärt.

Unklar ist auch, wie von Deutschland das Verhalten des türkischen Präsidenten Erdogan gewertet wird und ob das Flüchtlingsabkommen mit dem Land – finanzielle Unterstützung in der Flüchtlingshilfe im Gegenzug für eine Aufnahme der Menschen in der Türkei – Bestand hat. Außenminister Heiko Maas sagte dazu am Donnerstag vor Medienvertretern, die EU wolle die Türkei weiterhin bei den Anstrengungen zur Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten unterstütze. Ebenso erwarte man aber auch, dass sich das Land an die Vereinbarung mit der europäischen Union halte.

 

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare