Was nicht in der Zeitung steht, ist nicht passiert - heißt es. Tatsächlich ist es schwierig, informiert zu sein, wenn die massenmediale Berichterstattung ausbleibt. Journalisten berichten aus Kriegs- und Krisengebieten ebenso wie aus dem Bundestag und den Parteizentralen. Fernsehen, Zeitungen und Internet liefern uns Informationen, die wir brauchen, um uns ein Bild von Geschehnissen zu machen. Je näher ein Ereignis ist, desto größer das Interesse daran.
Nun ist die Europäische Union reichlich nahe. EU-Recht steht über nationalem Recht, es gibt eine gemeinsame Währung, ein gemeinsames Parlament, viele Binnengrenzen sind gefallen und haben uns zu Bürgern eines großen, transnationalen Raums gemacht. Doch der Fokus der Medien der 27 EU-Mitgliedsstaaten liegt immer noch auf der nationalen Politik, europäische Politik spielt nur am Rande eine Rolle: So widmeten die großen deutschen Tageszeitungen und Fernsehsender zwischen 1998 und 2004 gerade mal neun Prozent ihrer Berichterstattung der EU, wie Frank Brettschneider und Markus Rettich von der Universität Hohenheim herausfanden.
In der Sparte Außenpolitik wird das Nötigste abgehandelt. Sie stellten in ihrer Untersuchung außerdem fest, dass die EU in erster Linie Negativschlagzeilen macht. Spesenskandale, Gurkenkrümmung und die gescheiterte EU-Verfassung werden diskutiert. Die letzte Wahl zum Europaparlament dagegen war kein positiv dargestelltes Thema, entsprechend niedrig war mit 43 Prozent die EU-weite Wahlbeteiligung 2009.
So wirkt die EU wie ein bürokratisches Monster, fern, fremd und unerklärbar. Den EU-Bürgern ist die Union kaum vertraut, im Alltag spielt sie keine Rolle. Wie soll man sich als Europäer
fühlen, wenn man nur mit nationaler Politik befasst ist? Der Soziologe Jürgen Habermas betont, dass dem Konstrukt EU Leben eingehaucht werden müsse: mit Hilfe einer europäischen Öffentlichkeit.
Das Interesse darf nicht an den Grenzen halt machen, nationale Medien müssen Europa zu einem Thema machen. Europaweite Medien können 500 Millionen Bürger erreichen. Noch gibt es wenige, das liegt
nicht zuletzt an Sprachbarrieren. Doch ihre Zahl wächst.
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.