Gute Arbeit braucht klare Regeln. So lautet der Titel einer von der Industriegewerkschaft Metall bereits 2012 veröffentlichten „Anti-Stress-Verordnung“. Ergebnisse einer Befragung bestätigen nun, dass zwei Drittel der Beschäftigten regelmäßig Überstunden machen.
Mit ihrer Anti-Stress-Verordnung will die IG-Metall darauf aufmerksam machen, dass anders als bei Gefahrstoffen, Lärm oder mangelnder Beleuchtung bei psychischer Belastung klare Anforderungen an die Arbeitgeber fehlen. Und das obwohl Arbeitsstress und Zeitdruck allgegenwärtig sind und psychisch krank machen. Mit weit reichenden Folgen: „Sie verschlechtern nicht nur die Lebensqualität der Beschäftigten, sondern sind für Unternehmen und Sozialkassen langfristig teuer“, heißt es in der Verordnung.
Dauerhafte Erreichbarkeit vermeiden
Sie soll vor den negativen Folgen von ausufernden Arbeitszeiten, durch unsichere Jobs oder steigenden Leistungsdruck schützen. Nun werben auch SPD-Politiker, allen voran Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Guntram Schneider und Bundestagsfraktionsvize Carola Reimann, für ein Gesetz, durch das künftig Anrufe nach Feierabend oder E-Mails im Urlaub eingeschränkt werden sollen. Ein „Anti-Stress-Gesetz “ soll beispielsweise regeln, dass ein Arbeitgeber seine Angestellten zu bestimmen Zeiten nicht mehr kontaktieren darf.
Dass eine solche Regelung notwendig ist, unterstreichen Ergebnisse einer Befragung der von Kranken- und Unfallversicherung getragenen Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA), die am Mittwoch in Berlin veröffentlicht wurde. Der Umfrage zufolge leisten zwei Drittel (65 Prozent) der rund 2000 befragten Teilnehmer regelmäßig Überstunden. Jeder Fünfte dieser Betroffenen fühlt sich durch die Erwartung des Arbeitgebers belastet, Mehrarbeit leisten zu müssen. Von einem Fünftel (22 Prozent) werde erwartet, dass sie auch im Privatleben für dienstliche Angelegenheiten zur Verfügung stehen. Jeden dritten Betroffenen belaste diese Erreichbarkeit sehr.
Klare Absprachen helfen
Das Ergebnis zeigt zudem, dass Erschöpfungszustände und Vereinbarkeitsprobleme häufiger bei Beschäftigten vorkommen, die auch in ihrer Freizeit für ihren Job verfügbar sind. Daneben erfordern aber auch unvorhergesehene neue Arbeitsanforderungen und Unterbrechungen ein hohes Maß an Flexibilität. So bestätigen 38 Prozent der Befragten, dass sie häufig ihre Arbeit unterbrechen müssen, weil etwas „Wichtiges“ dazwischen kommt. Und beinahe jeder Dritte bestätigt, dass sich während des Arbeitens häufig die Prioritäten verändern (32 Prozent) oder Aufgaben dazu kommen, die nicht zum eigentlichen Job gehören (27 Prozent).
Die Befragungsergebnisse zeigen auch, dass sich klare Absprachen und mehr Zeit für die Bearbeitung von Aufgaben positiv auf das Wohl der Beschäftigten auswirken können. So seien Vereinbarkeitsprobleme zwischen Arbeit und Privatleben sowie Erschöpfungszustände bei Beschäftigten, die hohe Zeitpuffer in ihrer Arbeit haben, deutlich geringer ausgeprägt als bei Beschäftigten mit geringen Zeitpuffern.
Appelle reichen nicht
Doch lassen sich diese Konflikte durch freiwillige Vereinbarungen zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten klären? Die IG-Metall fordert verbindliche und handhabbare Vorschriften und warnt: Appelle und Verweise auf das Arbeitsschutzgesetz reichten nicht aus.
Auch Carola Reimann möchte dass der Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern gerade vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft einen höheren Stellenwert bekommt und befürwortet eine gesetzliche Regelung. Die Ausgestaltung müsse jedoch auf betrieblicher Ebene geregelt werden, sind sich Schneider und Reimann einig. Denn jede Branche und jedes Unternehmen brauche einen eigenen Spielraum, um darauf angemessen reagieren zu können.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.