Die gute Idee:
Viele Bürger klagen über die Politik in Brüssel und darüber, dass die EU nur Geld koste. Nach dem Willen des EU-Verwaltungskommissars Siim Kallas soll das anders werden. Und zwar schon bald.
Kallas möchte bereits im September durchsetzen, dass ab 2007 alle EU-Mitgliedsstaaten auf einer Internetseite veröffentlichen, welche Unternehmen in welcher Höhe und zu welchem Zweck Zuwendungen
von der EU erhalten.
Die Veröffentlichung beträfe sowohl EU-Fördermittel als auch landwirtschaftliche Beihilfen und ist in Ländern wie Großbritannien, Dänemark, Niederlande und in Estland längst Praxis. Dort kann
jeder Bürger auf einer Internetseite nachschlagen, wer beispielsweise Agrarsubventionen erhält und in welcher Höhe.
EU-Subventionen sind Steuergelder
Agrarsubventionen machen immerhin vierzig Prozent des EU-Budgets aus und werden in den kommenden sechs Jahren 864,4 Milliarden Euro beanspruchen. Die EU-Strukturmittel belaufen sich auf ein
Drittel des Haushalts; für die Jahre 2007 bis 2013 werden hierfür 308 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, davon würde Deutschland 23 Milliarden Euro erhalten. Würde es nach dem Wunsch von Siim
Kallas gehen, wüsste der deutsche Steuerzahler im kommenden Jahr, wohin dieses Geld fließt und was damit geschieht.
Glos gegen Transparenzinitiative
Das Wirtschaftsministerium unter Federführung von Michael Glos unternimmt derzeit alles, um die EU-Transparenzinitiative zu verhindern. Da sich neben Deutschland aber nur Spanien und Irland
dagegen ausgesprochen haben, wird Glos die Initiative nicht verhindern können, deshalb versucht er nun die Veröffentlichung der Empfänger von EU-Subventionen stark zu begrenzen.
"Bagatellgrenze" bei zwei Millionen Euro
In einem Schreiben des Wirtschaftsministeriums, auszugsweise veröffentlicht in der Financial Times Deutschland, wird der Bundesregierung empfohlen, bei den Verhandlungen über die
EU-Transparenzinitiative auf die Einführung einer "Bagatellgrenze in Höhe von zwei Millionen Euro" bei den Strukturmitteln zu dringen. Heißt: Publizitätsvorschriften sollen dafür sorgen, dass
Einzelfälle nur ab einer bestimmten Schwelle veröffentlicht werden. Begründung: Man müsse aufpassen, dass man keine "Investoren abschrecke".
Für ihre Idee der Einführung einer Bagatellgrenze versucht das Wirtschaftsministerium in den kommenden Wochen die Mehrheit der EU-Staaten hinter sich zu bringen. Bei den Agrarhilfen unter
Federführung von CSU-Landwirtschaftsminister Horst Seehofer hatte die Bundesregierung die Veröffentlichung der Empfängerdaten bereits abgelehnt.
SPD für Transparenzinitiative
Der stellvertretende europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Roth, und der SPD-Abgordnete im Europaparlament, Bernd Rapkay, unterstützen die
Transparenzinitiative. Die Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht zu erfahren, wie, wo und an wen die Gelder der Europäischen Union fließen, äußerte sich hierzu Michael Roth: "Schließlich schafft
mehr Klarheit auch mehr Vertrauen." Das Argument, dass die Offenlegung gegen den Datenschutz verstoße und mit "überbordendem bürokratischen Aufwand verbunden" sei, ist nach Meinung Roths
substanzlos. Denn die Information über Zweck, Höhe und Inhalt der Förderung stehe bereits jetzt den Behörden zur Verfügung, müsste also nur noch veröffentlicht werden. Roth verurteilte die
Vorschläge Glos, die Offenlegung nur für bestimmte Gruppen oder ab einer bestimmten Fördersumme einzuführen. Das widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung und verfehle den Sinn der
Transparenzinitiative.
Schritt zur Betrugsbekämpfung
Der Europaabgeordnete Bernd Rapkay bewertet die Initiative als einen guten Schritt bei der "Betrugsbekämpfung und der geforderten Offenlegung der Förderpolitik der Europäischen Union". Das
von Glos vorgebrachte Argument, Transparenz sei gleichzusetzen mit bürokratischem Overkill, so Rapkay, "ist ein Totschlagargument und verschleiert nur, dass er gegen Offenlegung ist".
Ihm sei der "Zick-Zack-Kurs" des Wirtschaftministers unverständlich. Glos, "der noch im Zusammenhang mit der AEG-Schließung mangelnde Transparenz bei der Förderung durch die Europäische Union
angemahnt hatte, macht sich nun Sorgen um negative Schlagzeilen im Zusammenhang mit der Transparenzinitiative", kritisierte der Europaabgeordnete.
Quelle: ftd.de; Die Zeit; spdfraktion.de
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.