Gleichstellung im Bundestag: Warum wir das Wahlrecht ändern müssen
Michael Gottschalk/photothek.net
Frau Ferner, der Frauenanteil im neu gewählten Bundestag liegt bei nur noch 31 Prozent. Ist das einfach nur Zufall?
Nein, das hängt mit dem Rechtsruck zusammen. Den geringeren Frauenanteil haben AfD aber auch CDU/CSU und FDP zu verantworten. Es ist ein Witz, dass die FDP-Fraktion einen Frauenanteil von 22,5 Prozent aufweist und die Union mit ihrer Parteivorsitzenden Merkel noch nicht einmal mal mehr 20 Prozent. Eine gerechte Geschlechterverteilung sieht anders aus.
Welche Konsequenz ist daraus zu ziehen. Brauchen wir eine Quote im Bundestag?
Wir sehen, dass der Frauenanteil in den Parteien mit parteiinternen Quotenregelungen deutlich besser ist. Der Frauenanteil bei Grünen und Linken liegt bei über 50 Prozent, bei der SPD bei 42 Prozent. Für uns ist es nach 2013 die zweite Wahlperiode mit über 40 Prozent in der SPD-Bundestagsfraktion. Deutlich wird aber auch, dass mit dem geltenden Wahlrecht eine paritätische und damit repräsentative Vertretung von Frauen und Männern im Bundestag kaum zu erreichen ist.
Was ist zu tun?
Wenn in dieser Wahlperiode das Wahlrecht geändert wird, plädiere ich dafür, auch das Thema paritätische Besetzung der Parlamente anzugehen. Vorbild können Frankreich und andere europäische Länder sein, in denen eine paritätische Besetzung bereits im Wahlrecht verankert ist. Diese Debatte muss jetzt geführt werden.
Dann ist der geringe Frauenanteil im neuen Bundestag als Signal zu verstehen?
Die Parlamente sollen ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Frauen zählen etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung und sollten auch die Hälfte der Mandate im Bundestag haben. Wenn das über die Parteien nicht möglich ist, müssen wir das über unser Wahlrecht absichern.
Nun werden Kritiker einwerfen, dass es Gleichstellung bereits gibt und Frauen alle Möglichkeiten haben. Was sagen Sie denen?
Das ist wieder das Motto „die Frauen sind selbst schuld“. Frauen haben aber die gläsernen Decken nicht erfunden. Das sind Schutzwälle der Männer. Schauen wir beispielsweise auf die FDP. Die behauptet immer, wer qualifiziert ist, wird auch gewählt. Wenn es aber bei der FDP nur ein Fünftel qualifizierte Frauen und bei der Union noch weniger gibt, die sichere Plätze haben und in den Bundestag einziehen, dann tun mir die Frauen in diesen Parteien einfach nur leid. Leider wirkt sich das dann auch auf die Gleichstellungspolitik aus. Frauen und Männer, die sich eine tatsächliche Gleichstellung wünschen und in einer modernen vielfältigen Gesellschaft mit gleichen Chancen für alle leben wollen, haben keine Lobby in diesen Fraktionen. Diese Wahlperiode wird eine des gleichstellungspolitischen Stillstandes werden.
Frau Ferner, die SPD hat mit Andrea Nahles eine Frau an die Spitze der Bundestagsfraktion gewählt. Freut Sie das?
Ja, es freut mich wirklich sehr. Am Mittwoch hat die SPD-Bundestagsfraktion Geschichte geschrieben. Etwas spät, wie ich finde. Aber besser spät als nie. Nun ist zu hoffen, dass auch die anderen Funktionen, nämlich in der Fraktion und in der Partei paritätisch besetzt werden.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.