Johanna Wanka, Bülent Ucar und Bernhard Lorentz stellten auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin das neue Avicenna-Stipendienwerk vor. Es soll leistungsstarke muslimische Studierende und Doktoranden fördern und wird gleichermaßen vom Bund und der Stiftung Mercator finanziert.
Etwa fünf Prozent der deutschen Bevölkerung und ungefähr drei Prozent aller Studierenden im Land bekennen sich zum muslimischen Glauben, rechnet Bundesbildungsministerin Johanna Wanka vor. Es sei daher nur folgerichtig, den drei konfessionellen Stipendienwerken der christlichen und jüdischen Gemeinschaften ein viertes, muslimisches zur Seite zu stellen.
Ein überfälliger Schritt
Bülent Ucar, Vorsitzender des Avicenna-Stipendienwerks, sieht darin ein „Signal der Anerkennung und einen Schritt zur Gleichberechtigung der Muslime in Deutschland“. Die Förderung muslimischer Studierender solle den Dialog zwischen den Religionen und innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft stärken, sagt er. Bernhard Lorentz, Vorsitzender der Stiftung Mercator, betont die Rolle von Avicenna für die „Chancengleichheit von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund“.
„Sowohl gesellschaftliche Verantwortung als auch Exzellenz“ sind laut Ucar die Kriterien, nach denen ab dem Wintersemester 2014/15 zunächst 50 Studierende pro Jahr gefördert werden sollen. Entgegen einer weit verbreiteten Sorge rechnet er damit, dass die Mehrzahl der Stipendien an Frauen gehen wird. Schon jetzt seien an Ucar’s Institut für islamische Theologie in Osnabrück 60 Prozent aller Studierenden weiblich.
Offene Fragen
Obwohl er gegenüber vorwärts.de die Gründung grundsätzlich begrüßt, weist der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz auf zwei ungelöste Probleme hin. Zum einen „leiden alle Stipendienwerke unter dem Strukturproblem, vor allem Kinder von Akademikern zu fördern“. Eine bereits bestehende, gesellschaftliche Bevorteilung werde so noch verstärkt. Zum anderen werde Avicenna zwar vor allem Menschen mit Migrationsgeschichte ansprechen, aber viele unter ihnen ausschließen, die sich nicht konfessionell bekennen, erklärt Schulz.
Die Gleichsetzung von Religion, Migrationsgeschichte und Bedürftigkeit sei also mindestens zweifelhaft. In der nächsten Legislaturperiode müsse deshalb die Frage gestellt werden, „wer hier eigentlich gefördert wird“, sagt Schulz. „Man müsse Instrumente entwickeln, um jene zu fördern, die Unterstützung besonders bedürfen.“