Frauen in Deutschland verdienten in 2004 23 Prozent weniger Geld pro Arbeitsstunde als Männer. Der durchschnittliche Entgeltunterschied in der EU lag bei "nur" 15 Prozent. Deutschland
liegt damit weit hinter dem Durchschnitt. Wie lässt sich das erklären?
Dies ist zum einen durch die hohe Teilzeittätigkeit bei Frauen, welche in Deutschland über dem EU- Durchschnitt liegt, bei gleichzeitiger überdurchschnittlich geringer Teilzeittätigkeit von
Männern zu erklären.
Zudem arbeiten Frauen zu fast 80 Prozent in etwa zehn typischen Frauenberufen. Die typischen Frauenberufe werden erheblich schlechter bezahlt als die Berufe, in denen 80 Prozent der Männer
arbeiten.
Ein weiterer Grund für den bestehenden Lohnunterschied wurde in unterschiedlichen Studien aufgezeigt. Den Ergebnissen der Studien zufolge sinkt der Verdienst bei steigendem Frauenanteil in
verschiedenen Berufen, während er bei ansteigendem Männeranteil steigt. Als Beispiel lässt sich hier der Tarif für HauswirtschaftlerInnen anführen. Dieser liegt um fast 1/3 niedriger als der für
GebäudereinigerInnen. Auch auf unterschiedliche Tarife in unterschiedlichen Berufen, außer im öffentlichen Dienst, hat die Politik in Deutschland wenig Einfluss.
Wir Sozialdemokratinnen fordern deshalb von der Kommission einen Legislativvorschlag um bestehende Einkommensunterschiede bei gleichwertiger Arbeit endlich abzubauen und gegebenenfalls
Sanktionen vorzusehen.
Entgegen den Entwicklungen anderer europäischer Länder hat sich die Quote in Deutschland verschlechtert. Gibt es in anderen europäischen Ländern Programme oder gesetzliche Regelungen, die
eine Gleichheit des Arbeitsentgelts garantieren?
In Artikel 141 wird gleicher Lohn für gleiche Arbeit vorgeschrieben. Dies muss in allen Ländern Europas garantiert werden. Im Falle Deutschlands ist eine Durchsetzung dieses Artikels nur
individuell gerichtlich möglich.
Einen wichtigen Beitrag zur gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit könnte von der Tarifpolitik ausgehen, welche durch höhere Zuwächse bei schlecht bezahlten Frauenjobs eine Aufwertung
herbeiführen könnte. Prozentuale Erhöhungen würden an dieser Stelle nur die bestehenden Unterschiede zementieren und vergrößern.
Mit Blick auf die Europäische Union zeichnen sich bei einigen Ländern deutliche Fortschritte beim Abbau der Lohndifferenz ab, wo hingegen sich die Lücke in den Ländern Belgien, Frankreich,
Polen, Slowenien und Deutschland wieder vergrößert. Den Tarifparteien kommt hier eine außerordentlich große Verantwortung zu. Auch das bisher in Deutschland fehlende Gleichstellungsgesetz macht
sich schmerzlich bemerkbar.
"Ein Kind führt bei Frauen zwischen 20 und 49 Jahren dazu, dass die Beschäftigungsquote um 14,3 Prozentpunkte sinkt, während sie bei Männern um 5,6 Prozentpunkte steigt", so der Bericht. Da
sind wir beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Kennst du vorbildliche Initiativen?
Deutschland ist bei Thema Kinderbetreuung nach wie vor Schlusslicht in der Europäischen Union. Des Weiteren haben wir die schlechteste Versorgung bei unter 3jährigen zu verzeichnen. Im
Schulbereich ist die Situation ebenfalls unbefriedigend. Die Bundesrepublik hat ein unzureichendes Ganztagsangebot bei 3-6jährigen, sowie im Halbtagsschulbereich unverlässige Schulzeiten und
keine ausreichende Nachmittagsbetreuung.
Meiner Meinung nach wirkt die Nazipropaganda zur Rabenmutter bis heute nach. In keinem anderen Land in Europa gibt es eine ähnliche Debatte wie in Deutschland, die ja schlussendlich auch
bildungspolitisch verheerende Folgen hat.
Im Bereich der Kinderbetreuung gibt es heutzutage zwei Trends: auf der einen Seite stehen die Unternehmen, die Eltern kleiner Kinder auf Kosten der Mütter ausgrenzen, wodurch wertvolle
MitarbeiterInnen verloren gehen.
Auf der anderen Seite stehen die Unternehmen, die die Chance nutzen, um ihre gesamte Unternehmenskultur auf die Integration von Arbeit und Familie einzustellen. Eine solche Umstellung
umfasst dann nicht nur Kinderbetreuung, sondern auch Arbeitszeitregelungen allgemein, Weiterbildung und vieles andere mehr. Für die Beschäftigten sind diese Unternehmen wesentlich attraktiver.
Sie sind kreativer und schließlich auch ökonomisch erfolgreicher.
Heute ist Internationaler Frauentag. Was wünschst du dir?
In der Sozialdemokratischen Fraktion hatten wir heute eine Life-Video-Schaltung zu neugewählten Parlamentarierinnen in Afghanistan.
Ich wünsche mir, dass internationale Solidarität überall trägt und sowohl Frauen als auch Männer gleiche Rechte zugestanden werden - bei der Bezahlung - im Job - im gesellschaftlichen
Leben. Wenn das alle verstanden haben und auch leben, wird es für alle eine humanere Welt.
Zusammenfassung des EU-Berichts:
EU-Kommission: Frauen verdienen 23 Prozent weniger Geld pro Arbeitsstunde
Informationen zum Thema Gleichstellung von Frauen im Beruf des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung:
Frauen in Deutschland: Riesenfortschritte und hohe Hürden auf dem Lebensweg
Arbeitszeit-Schere zwischen Frauen und Männern weit geöffnet
Pressemitteilungen zum Internationalen Frauentag:
"Wenn viele Frauen sich politisch engagieren, können sie Politik bewegen. Von allein bewegt sich nichts!"
Pressemitteilung der der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF)
MARIE-SCHLEI-VEREIN e. V., Spendenaufruf zum Internationalen Frauentag am 8. März:
Solidarität mit Frauen in Vietnam
Veranstaltungen rund um den Internationalen Frauentag am 8. März 2006 finden Sie unter:
http://www.asf.de/servlet/PB/menu/1658658/index.html
Weitere Pressemitteilungen:
Elke Ferner:
Frauen bewegen Politik
Erklärung des Präsidiums der SPD zum Internationalen Frauentag am 8. März"
SPD-Bundestagsfraktion, Christel Humme:
95. Frauentag 2006 - Gleichstellungspolitik bleibt unser Thema
SPD-Bundestagsfraktion:
"abpfiff" - SPD-Fraktion unterstützt Kampagne gegen Zwangsprostitution
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.