Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Arbeitgeber müssen jetzt aufpassen
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Aktuell treffen sich in Leipzig die kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten zum 27. Bundeskongress in Leipzig. Dabei steht die Geschlechtergerechtigkeit im Vordergrund, zum Beispiel mit Blick auf die Medizin oder in der Sprache und Bildern. Ein Meilenstein in Sachen Geschlechtergerechtigkeit ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt im Februar dieses Jahres.
Welche Auswirkungen hat das BAG-Urteil?
Der verhandelte Fall: Eine Frau bekam weniger Lohn als ihr männlicher Kollege, führte aber die gleiche Tätigkeit aus. Vollkommen normal, sagte ihr Arbeitgeber. Das BAG in Erfurt sah es anders und entschied: Es gilt der Grundsatz gleicher Bezahlung. Konkret stellte das BAG fest, dass als Grund für Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern bei einer gleichwertigen Arbeit nicht das bessere Verhandlungsgeschick des Mannes eine Rolle spielen darf. Welche Auswirkungen hat eine solche Entscheidung?
Der „vorwärts“ hat in diesem Zusammenhang mit zwei Experten gesprochen: Andreas Ueberbach von der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Jurist*innen (ASJ) Sachsen und dem Arbeitsrechtler Ingo Menke. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wo sich Frauen im Unternehmen hinwenden sollen, wenn sie Gehaltsunterschiede feststellen.
Dass Frauen nicht weniger verdienen sollen als Männer ist schon eine sehr lange Zeit Konsens. Was bringt das nun gefällte Urteil?
Andreas Ueberbach: Die größte Wirkung dieses Urteils wird wahrscheinlich darin bestehen, dass die Arbeitgeber bei Gehaltsverhandlungen ab jetzt immer im Hinterkopf haben: ‚Wir müssen aufpassen.‘ Denn theoretisch könnte eine Ungleichbehandlung zu einem Gerichtsverfahren führen. Am Ende kann das nicht nur teuer sein, sondern auch andere dazu animieren Forderungen zu erheben. Also wird man von Beginn an vermeiden, in diese Falle zu tappen.
Ist denn aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine Klagewelle, speziell von Frauen, zu erwarten?
Ingo Menke: Das denke ich nicht. Im Vorfeld lässt sich nämlich im Unternehmen viel mehr regeln, als die Gerichte damit zu beschäftigen. Ansonsten hast du gerade in kleinen Unternehmen schnell ein zerstörtes Vertrauensverhältnis. In größeren Firmen spielt das keine große Rolle, doch in kleinen Betrieben, sagen wir so 15 bis 20 Mitarbeitende, bist du gezwungen mit denselben Leuten wieder zusammenzuarbeiten. So etwas ist natürlich eine Belastung, und zwar für das Miteinander im Unternehmen und zwei der Beschäftigten untereinander. Die große Herausforderung wird genau darin bestehen, dass die Unternehmen für sich eine Regelung finden, ohne die Gerichte zu beanspruchen.
Wo sollen sich Frauen im Unternehmen hinwenden, wenn sie Lohnunterschiede feststellen?
Ingo Menke: Am besten den Betriebsrat fragen, sofern dieser vorhanden ist. Ansonsten hilft nur ein Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend zu machen, wenn die Tatsachen dafürsprechen, dass eine unterschiedliche Vergütung vorliegt. Mehr kann man auch nicht vortragen, wenn man an dieser Stelle betroffen ist. In diesem Fall hilft es sehr Mitglied einer Gewerkschaft zu sein – oder zumindest eine Rechtsschutzversicherung zu haben.
Verkennen Arbeitgeber den Fachkräftemangel und die damit einhergehende Notwendigkeit Frauen für ihr Unternehmen zu gewinnen?
Andreas Ueberbach: Es ist etwas Positives, was der Gesetzgeber entschieden hat und was in der Folge dazu führt, die Arbeitswelt noch etwas gerechter zu machen. Ich kann es nur begrüßen, dass man die Arbeitskraft beider Geschlechter gleich wertschätzt, gleich bezahlt und dadurch auch erkennt, welche Chancen sich daraus auch ergeben.
Wäre eine generelle Auskunftspflicht für Arbeitgeber schon beim Bewerbungsgespräch sinnvoll?
Andreas Ueberbach: Eine politische Frage, die man gerne mit der SPD angehen könnte. Das wäre sicherlich sinnvoll oder zumindest eine Diskussion darüber wäre gut. Ob es dann insgesamt als politische Forderung überlebt, muss man dann sehen. Aber es wäre ein guter Ansatz.
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