Inland

Giffey in Chemnitz: „Sachsen ist mehr als brauner Mob“

Am Freitag besuchte SPD-Bundesfamilienministerin Franziska Giffey Chemnitz. Dabei warb sie für Dialog und Wertschätzung der Leistung Ostdeutscher. Auch die sächsische Integrationsstaatsministerin Petra Köpping fordert: „Es muss wieder mehr zugehört werden.“
von Johanna Lehn · 31. August 2018
Franziska Giffey legt Blumen am Tatort in Chemnitz nieder.
Franziska Giffey legt Blumen am Tatort in Chemnitz nieder.

Als erstes Mitglied der Bundesregierung hat sie an diesem Freitag Chemnitz nach den Ausschreitungen der vergangenen Tage besucht. „Wir stehen zusammen dafür, dass Chemnitz und Sachsen mehr ist als brauner Mob und dass wir nicht aus dem Blick verlieren, was für Ostdeutschland wichtig und nötig ist“, sagte sie bei ihrem Besuch.

Wieder mehr zuhören

Dabei rief sie auch dazu auf, der Leistung der Menschen in Ostdeutschland mehr Wertschätzung entgegenzubringen und in Dialog zu treten. Sachsens Staatsministerin für Integration und Gleichstellung Petra Köpping sieht das genauso: „Natürlich muss wieder mehr zugehört werden. Aber das muss stets mit Haltung geschehen.“ Nachfragen und Bedenken müssten beantwortet und besprochen werden. „Fremdenfeindlicher Hass und antidemokratische Anstandslosigkeit dürfen dabei jedoch nicht geduldet werden“, sagt sie. Erfreulicherweise folge inzwischen die gesamte sächsische Regierung dem Beispiel des SPD-Vorsitzenden Martin Dulig, der bei seiner Küchentisch-Tour ein offenes Ohr habe und damit Vertrauen aufbaue.

Gegenüber dem vorwärts wird Köpping deutlich: „Die rechte Szene wurde in Sachsen seit Jahren verharmlost und seitens der CDU nie konsequent bekämpft. Im Gegenteil, Sachsen wurde für ,immun gegen Rechtsextremismus‘ erklärt und Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten, wurden nicht als Demokraten unterstützt, sondern als Linke diffamiert.“ Auch das sei ein Grund für Giffeys Besuch gewesen: Der Bund wolle sich mit seinen Programmen zur Demokratieförderung noch mehr für diejenigen einsetzen, die sich für ein weltoffenes und tolerantes Chemnitz engagieren.

Laut gegen Rechts

Am Donnerstagabend fand eine weitere Kundgebung der rechten Bewegung Pro Chemnitz mit rund 900 Teilnehmern statt. Hierbei wurden mehrere Straftaten registriert, unter anderem das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Polizei war mit mehr als 1.200 Einsatzkräften aus mehreren Ländern und der Bundespolizei vor Ort. Gleichzeitig demonstrierten rund 5000 Menschen in Berlin und rund 2000 Menschen in Münster gegen Rechtsextremismus.

Für Samstag rufen die AfD, Pegida und Pro Chemnitz zu erneuten Protesten in Chemnitz auf. Zahlreiche Bündnisse und Parteien, unter anderem die SPD Chemnitz und die SPD Sachsen, wollen unter dem Motto „Herz statt Hezte“ ein Zeichen dagegen setzen und rufen zum Gegenprotest auf. Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wollen in Chemnitz gegen rechte Hetze laut werden:

Auch die Band Madsen beteiligt sich an der Gegendemonstration am Samstagnachmittag mit einem Konzert. Am Montag werden Künstler wie die Toten Hosen, Feine Sahne Fischfilet und die Chemnitzer Band Kraftklub unter dem Motto „Wir sind mehr“ ein großes Konzert gegen Rechts in der Chemnitzer Innenstadt geben.

Vergangenen Sonntag war in Chemnitz ein 35-Jähriger getötet worden. Zwei tatverdächtige Syrer und Iraker wurden festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft. Nach dem Tod war es am Sonntag zu Demonstrationen und gewalttätigen Übergriffen gekommen, an denen überwiegend Rechtsextreme und radikale Hooligans beteiligt waren.

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Autor*in
Johanna Lehn

studiert Politikwissenschaft und Soziologie und schreibt für den „vorwärts“.

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