Inland

Gewerkschaften sind streikbereit

von Yvonne Holl · 31. Januar 2013

Heute starten die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder. Achim Meerkamp, einer der Verhandlungsführer der Gewerkschaftsseite, zeigt sich im „vorwärts“-Interview kämpferisch.

Interview: Yvonne Holl
 
Herr Meerkamp, ab heute verhandeln Sie mit den Ländern über Gehaltserhöhungen für 800.000 Beschäftigte. Um welche Berufsgruppen geht es?

Die Verhandlungen betreffen etwa Verwaltungsbeschäftigte, Lehrerinnen und Lehrer, Ingenieure und Techniker, Straßenwärter, die Krankenpflegeberufe oder auch Beschäftigte an Hochschulen – um nur einige zu nennen. 

Außerdem sind von den Verhandlungen indirekt auch alle Beamtinnen und Beamten der Länder und der Kommunen betroffen, da wir die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auch auf diese Beschäftigtengruppe fordern.
 
Im Vorfeld haben beide Seiten schon kräftig die Muskeln spielen lassen. Sie fordern Lohn- und Gehaltssteigerungen von 6,5 Prozent. Von Länderseite wurde diese Forderung bereits als „überzogen“ zurückgewiesen. Woraufhin Verdi-Chef Bsirske mit Warnstreiks drohte. Das klingt nach harten Verhandlungen, die Ihnen bevorstehen, oder?
 
Ich habe noch keine Tarifverhandlungen erlebt, in denen der Interessensgegensatz keine Rolle gespielt hätte. Zweck der Tarifautonomie ist es, durch Verhandlungen und die mögliche Austragung des Konflikts zu friedensstiftenden Tarifregelungen zu kommen. Wir haben uns auf alle Eventualitäten eingestellt. Es hängt nun vor allem von den Arbeitgebern ab, wie die Tarifverhandlungen ablaufen werden.
 
Viele Bürger haben wenig Verständnis für Streiks bzw. Warnstreiks im öffentlichen Dienst. Sie sagen: Der Verdienst ist gut, der Job sicher, warum wird gestreikt?
 
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre sind andere. Die Öffentlichkeit hat registriert, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht auf Rosen gebettet sind und dennoch qualitativ hochwertige Dienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger – gegebenenfalls rund um die Uhr – erbringen. Deshalb erhalten wir auch viel Zustimmung, wenn in den Tarifrunden für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Lohnverbesserungen anstehen.
 
Auch die Arbeitgeber argumentieren gegen allzu kräftige Gehaltserhöhungen mit der Arbeitsplatzsicherung. Nach dem Motto: Lieber weniger Geld, dafür aber die Stelle langfristig sichern.
 
Für den Lebensstandard ist zunächst die Entgelthöhe und nicht die Sicherheit des Arbeitsplatzes entscheidend. Unsere Aufgabe als Tarifvertragspartei ist es, eine gerechte Entlohnung gemäß Tätigkeit und Qualifikation mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. 

Mittlerweile gehören auch die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst nicht mehr zu den Muster-Arbeitgebern. In vielen Bereichen gibt es nur noch befristete Arbeitsverhältnisse, es werden häufig nur noch Teilzeittätigkeiten angeboten oder sogar Leiharbeitnehmer eingesetzt. 

Der sichere Lebenszeitarbeitsplatz im öffentlichen Dienst ist eine Mär und gehört der Vergangenheit an.

Ihr Gegenüber in den Verhandlungen, Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn, sagte, der Abbau von Schulden sei wichtiger als die Erhöhung der Entgelte. Das sehen viele Bürger auch so.

Das sehen wir anders. Die Beschäftigten haben die Schulden nicht verursacht. Sie haben Anspruch auf eine faire Bezahlung. Wer Schulden abbauen will, sollte nicht beim Personal anfangen, sondern sich vor allem um die Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte kümmern. Deshalb setzen wir uns für eine einmalige Vermögensabgabe ebenso ein wie für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Es kann nicht sein, dass das reichste Prozent der Bevölkerung mehr als 36 Prozent des privaten Nettovermögens hortet und zur Finanzierung des Gemeinwesens nicht angemessen herangezogen wird.
 
Sollten die Verhandlungen stocken, in welchen Bereichen muss die Bevölkerung mit Streiks rechnen?

Wir streben eine Einigung am Verhandlungstisch an. Wenn sich die Arbeitgeber nicht bewegen, sind die Landesbeschäftigten bereit, für ihre Forderungen auch zu streiken.

Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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