Die „Autonomen Nationalisten“ dominieren im neonazistischen Spektrum – die Zahl der rechtsextrem motivierten Gewalttaten ist deutlich angestiegen.
Dem aktuellen Berliner Landesverfassungsschutzbericht zufolge ist das rechtsextreme Potenzial auf 1330 Personen (2010: 1510) zurückgegangen. Der Löwenanteil des Schwunds geht allerdings auf die nicht mehr mitgezählten 150 Mitglieder der aufgelösten DVU zurück, die fast überwiegend nicht zur NPD gewechselt sind, sondern sich zum Teil anderen Rechtsgruppierungen angeschlossenen haben. Aber auch die NPD musste Federn lassen, sie habe seit 2008 rund ein Viertel ihrer Mitglieder verloren und stagniere jetzt bei etwa 250, halten die Verfassungsschützer fest.
Die größte Gefahr im rechtsextremen Spektrum gehe von den „Autonomen Nationalisten“ aus, hob der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) bei der Vorstellung des aktuellen Landesverfassungsschutzberichts am Mittwoch hervor. Diese seien dominant in der rechtsextremen Szene in Berlin – und das resultiere nicht zuletzt aus der Schwäche der NPD.
Abhängigkeit der NPD von den „Freien“
Fast logisch erscheint hier, dass im Februar dieses Jahres mit Sebastian Schmidtke (Jg. 1985) ein Bindeglied zwischen NPD und „parteifreien“ Kameraden mit besten Kontakten auch zu „Autonomen Nationalisten“ an die Spitze der Partei gewählt wurde. Nach Einschätzung der Berliner Verfassungsschützer fand mit der Wahl Schmidtkes „die jahrelange Annäherung der NPD an die ‚Autonomen Nationalisten’ ihre konsequente Fortsetzung“. Auch im vergangenen Wahlkampf habe sich die Abhängigkeit der NPD von den „Freien Kräften“ gezeigt, wird im Bericht festgehalten.
Schon rein zahlenmäßig wird das Kräfteverhältnis im innerrechten Spektrum deutlich: Den rund 250 NPD-Mitgliedern steht ein „stabiler Kern aktionsorientierter Rechtsextremisten“ gegenüber, der im Berliner Bericht auf 1000 Anhänger beziffert wird. Dazugerechnet werden das „Netzwerk Freie Kräfte“, „Autonome Nationalisten“, sonstige Neonazis sowie das Netzwerk „Rechtsextremistische Musik“.
Brandanschläge auf linke Einrichtungen
Die Zahl der im vergangenen Jahr von Rechtsextremisten in Berlin verübten Straftaten ist mit 1157 (2010: 1137) Vorkommnissen leicht angestiegen. Die Gewalttätigkeiten haben sich aber auf 61 Fälle (2010: 27) verdoppelt, rund die Hälfte davon aus fremdenfeindlicher Motivation und 24 gegen politische Gegner gerichtet.
Allein in der Nacht zum 21. Juni 2011 gab es fünf Brandanschläge, überwiegend auf Einrichtungen, die sich in Wohnhäusern befanden. Am Anton-Schmaus-Haus der Falken in Berlin-Neukölln wurde dann im November erneut Feuer gelegt. Die Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid wies bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts auch auf die Internetpräsenz der „Autonomen Nationalisten“ hin, auf der alle fünf betroffenen Objekte aufgeführt waren. Auf der Seite des „NW-Berlin“ fanden sich diverse Fotos und Adressen von zivilgesellschaftlichen und linken Einrichtungen sowie von Einzelpersonen. Dabei fehlte nicht der Hinweis: „Wir hoffen diese Informationen sind für Euch im praktischen Sinne effektiv.“
Die Website „NW-Berlin“ wurde zwar im April dieses Jahres von der Bundesprüfstelle indiziert, ist aber offensichtlich nach wie vor zu erreichen. Mit der Seite wurde auch immer wieder der NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke in Verbindung gebracht.
Zunehmende Radikalisierung der Salafisten
Neben der Warnung vor den Gefahren durch den transnationalen islamistischen Terorrismus richtet der Berliner Verfassungsschutz auch ein besonderes Augenmerk auf eine zunehmende Radikalisierung der Salafisten. Innensenator Henkel zufolge werden bundesweit rund 3800 Personen den Salafisten zugerechnet. In Berlin seien es etwa 350, und gut 100 davon seien als gewaltbereit einzustufen. Geprägt sei die Szene seit Sommer vergangenen Jahres durch ein deutschsprachiges Netzwerk im Internet, in dem Berliner eine maßgebliche Rolle spielen würden.
Leicht angestiegen ist Erkenntnissen der Berliner Behörde das Personenpotenzial im Bereich des Linksextremismus. Rund die Hälfte davon wird der aktions- und gewaltorientierten Szene zugerechnet. Sie halte ihren Anteil durch verstärkte Rekrutierungsbemühungen zum Beispiel im Spektrum der Gentrifizierungsgegner oder bei gewaltbereiten Antifaschisten konstant, wird im Bericht festgehalten. Als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung sehen die Verfassungsschützer den Versuch der linksextremen Szene, „soziale Bewegungen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, indem sie berechtigte politische Anliegen“ aufnehme. Es sei aber nicht zu erkennen, dass die Szene „zu einem entsprechend grundsätzlichen Strategiewechsel in der Lage ist“, heißt es.
Dieser Beitrag erschien in www.bnr.de