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Gewalt an Frauen: Was die Istanbul-Konvention für Deutschland bedeutet

Vor fünf Jahren trat die Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft. Bisher galt sie jedoch nur eingeschränkt. Was das bedeutet und was die Istanbul-Konvention eigentlich ist: Antworten auf die wichtigsten Fragen
von Kai Doering · 31. Januar 2023
Derumfassendste Menschenrechtsvertrag gegen geschlechtsspezifische Gewalt: Die Istanbul-Konvention ist seit dem 1. Februar 2018 in Deutschland in Kraft.
Derumfassendste Menschenrechtsvertrag gegen geschlechtsspezifische Gewalt: Die Istanbul-Konvention ist seit dem 1. Februar 2018 in Deutschland in Kraft.

Was ist die Istanbul-Konvention?

Die Istanbul-Konvention heißt eigentlich „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“. Die Vertragsstaaten verpflichten sich darin, Gewalt gegen Frauen auf ihrem Staatsgebiet zu verhindern, begangene Taten zu verfolgen und zu beseitigen, Diskriminierung von Frauen zu verhindern und ihre Rechte zu stärken. Die Istanbul-Konvention ist damit der umfassendste Menschenrechtsvertrag gegen geschlechtsspezifische Gewalt.

Warum heißt das Übereinkommen „Istanbul-Konvention“?

Das Übereinkommen wurde am 11. Mai 2011 von 13 Staaten in Istanbul unterzeichnet – und trägt deshalb den Namen der türkischen Stadt.

Wieviele Staaten haben die Istanbul-Konvention bereits unterzeichnet?

Von den 47 Mitgliedstaaten des Europarats haben bisher 34 die Istanbul-Konvention unterzeichnet, darunter auch Deutschland. Elf Länder des Europarats haben die Konvention unterzeichnet aber noc) nicht ratifiziert, darunter die EU-Mitgliedstaaten Lettland, Litauen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Bulgarien. Russland und Aserbaidschan haben die Konvention weder unterzeichnet noch ratifiziert. Die Türkei hat die Istanbul-Konvention am 22. März 2021 mit Wirkung zum 1. Juli desselben Jahres gekündigt.

Wann hat Deutschland die Istanbul-Konvention ratifiziert?

Die Ratifizierung durch den Bundestag fand am 17. Oktober 2017 statt. Am 1. Februar 2018 trat die Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft.

Warum galt die Istanbul-Konvention bei uns bisher nur eingeschränkt?

Bei der Ratifizierung hatte der Bundestag von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Vorbehalte gegen einzelne Bestimmungen des Übereinkommens einzulegen. Damit war Deutschland formal bisher nicht zur vollständigen Umsetzung der Artikel 44 und 59 verpflichtet. Artikel 44 umfasst Vorgaben zur Geltung des nationalen Strafrechts bei Straftaten von nicht-deutschen Staatsbürger*innen im Ausland, wenn diese ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben. Artikel 59 enthält Regeln zur aufenthaltsrechtlichen Situation von ausländischen Gewaltopfern.

Ab wann gilt die Istanbul-Konvention uneingeschränkt in Deutschland?

Seit dem 1. Februar 2023. Das liegt daran, dass Vorbehalte gegen die Istanbul-Konvention fünf Jahre nach Einlegung durch einen Vertragsstaat automatisch auslaufen, wenn der Staat diese nicht ausdrücklich gegenüber dem Europarat verlängert. Das hat die Bundesregierung nicht getan. Die deutschen Vorbehalte laufen damit am 1. Februar 2023 aus. „Wir zeigen, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits im vergangenen Jahr dazu.

Ist damit für Frauen in Deutschland also alles gut?

Leider nein. Eine Expert*innengruppe des Europarats kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass es bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland noch zahlreiche Lücken gibt, um Frauen wirksam vor Gewalt zu schützen. So kritisiert der sogenannte Grevio-Bericht u.a., dass in Deutschland eine langfristige, umfassende Strategie gegen Gewalt an Frauen fehle, ebenso wie eine nationale Koordinierungsstelle für entsprechende Maßnahmen. Zudem fehlten zahlreiche Schutzplätze in Frauenhäusern. Besonders mangele es in Deutschland an Schutz für geflüchtete Frauen.

Was soll sich in Deutschland ändern?

Der Kampf gegen Gewalt an Frauen wird im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ausdrücklich als Ziel genannt. So will die Ampel-Koalition in dieser Legislatur die noch fehlende staatlichen Koordinierungsstelle einrichten. Zudem soll das Strafrecht klarer gefasst und geschlechtsspezifische Tatmotive sollen ausdrücklich in die Liste menschenverachtender Tatmotive aufgenommen werden. Ist eine Straftat durch das Geschlecht des Opfers motiviert, soll dies zu einer Verschärfung der Strafe führen. Zudem will die Ampel mit einem bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sorgen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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