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Gesundheit: Warum die SPD in der Kindermedizin weg von der Fallpauschale will

Wenn sich Kindermedizin finanziell „nicht rechnet“, ist etwas faul im System. Für die SPD liegt das Übel in der Fallpauschale, die zu einer Unterfinanzierung von Kinderkliniken führt. Die Profitorientierung im Gesundheitswesen könne so nicht bleiben.
von Vera Rosigkeit · 28. Juli 2020
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Kinder- und Jugendmediziner*innen warnen vor einem Sterben der Kindermedizin, denn in den vergangenen zwanzig Jahren seien viele Abteilungen der Kinderheilkunde in den Kliniken verschwunden. Woran das liegt, erklärt Katja Pähle am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Wenn sich Kindermedizin „nicht rechnet“

Kindermedizin werde nach Pauschalen bezahlt und diese reichten nicht, sagt die Spitzenkandidatin der SPD Sachsen-Anhalt. Pähle spricht von einer falschen Finanzierung, denn in Deutschland seien immer mehr Kinderkliniken von der Schließung bedroht, weil sie sich „nicht rechnen“ würden. Besonders betroffen sei der ländliche Raum. Parteichefin Saskia Esken stellt klar, dass jedes kranke Kind als Kind betrachtet werden müsse und nicht nach Pauschalen abgerechnet werden könne, sondern nach dem Bedarf. „Gerade Kinder und Jugendliche brauchen aufgrund ihrer unterschiedlichen Entwicklungszyklen, aber auch wegen ihrer unterschiedlichen familiären Hintergründe unterschiedliche und individualisierte Behandlungen“, erklärt Esken.

In einem Beschluss des Präsidiums „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! Sichere und individualisierte Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche“ fordert die SPD, dass ein Anteil von 13 Prozent der Investitionen, die im Konjunkturprogramm der Bundesregierung für das „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ bereitgestellt wird, für die Finanzierung kinder- und jugendmedizinischer Versorgungsstrukturen verwendet werden kann. Denn auch der Anteil von Kindern bis 14 Jahren an der Bevölkerung liege bei etwa 13 Prozent, für die Kindermedizin werde aber derzeit nur acht Prozent der Gesundheitskosten aufgewendet.

Grundfinanzierung muss her

Darüber hinaus wollen die Sozialdemokrat*innen weg von den sogenannten Fallpauschalen. „Wir wollen, dass die Fallpauschalen in der Kinder- und Jugendmedizin aufgegeben werden“, betont Pähle. Stattdessen wolle man eine Grundfinanzierung für diese spezielle Medizin und eine Unterstützung für Kliniken im ländlichen Raum. Zudem sei laut Pähle eine Werbekampagne für Kinder- und Jugendmediziner*innen nötig, denn diese Fachkräfte würden gebraucht, um auch künftig Kinder und Jugendliche gut versorgen zu können.

Darüber hinaus will die SPD ein Kompetenznetzwerk für Forschung und Kooperation im Bereich Kindergesundheit schaffen. Denn zu oft bekämen Kinder Medikamente verschrieben, die nicht für sie erprobt und zugelassen sind.

In die Pflicht genommen wird auch CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Er solle Verantwortung übernehmen, statt weiter tatenlos zuzuschauen, wie sich die Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche landauf und landab immer weiter verschlimmere, so die SPD-Politikerinnen.

Schwesig: Weg mit der Fallpauschale

Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, verfolgt mit einer von ihr ebenfalls am Dienstag vorgestellten Bundesratsinitiative das gleiche Ziel. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, ein System für eine flächendeckende stationäre pädiatrische Versorgung außerhalb des Fallpauschalensystems zu entwickeln. Ziel sei eine bessere Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin, die erhöhte Qualitäts- und Personalbedarfe in der Geburtsmedizin einschließt. Das System der Fallpauschalen habe sich in der Kinder- und Jugendmedizin nicht bewährt, erklärt Schwesig im Anschluss an die Kabinettsitzung. Der Antrag werde in der nächsten Sitzung am 18. September in den Bundesrat eingebracht. „Ich hoffe sehr, dass unsere Initiative die Unterstützung weiterer Bundesländer findet“, so Schwesig. Die Profitorientierung im Gesundheitswesen könne so nicht bleiben, betont sie via Twitter.

2003 wurde das sogenannte DRG-System – (Diagnosis Related Groups) im Gesundheitswesen eingeführt. Dieses Fallpauschalensystem steht deshalb in der Kritik, weil es auf Durchschnittskosten basiert. Denn für jede Krankheit und Behandlungsart gibt es danach eine bestimmte Summe, mit der alle Personal- und Sachkosten abgegolten werden, unabhängig davon, wie aufwändig die Behandlung wirklich ist. Der reale Zeit- und Personalaufwand kann aber viel höher liegen, was in der Kinderheilkunde oftmals zutrifft. Die Folge sind eine Unterfinanzierung von Kinderkliniken. Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin werden von Krankenhausbetreibern abgemeldet, weil sie sich nicht rechnen. 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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