Geplante Rüstungsexporte bleiben weiterhin geheim
Im Juli 2011 meldeten verschiedene Medien, dass die Bundesregierung die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien genehmigt hat. Die Grünen waren empört. Erst wenige Wochen zuvor hatte Saudi-Arabien mit Panzern geholfen, die Demokratie-Bewegung im Nachbarstaat Bahrain zu unterdrücken. Doch die Bundesregierung ließ die Anfragen der Grünen unbeantwortet. Die Arbeit des Bundessicherheitsrats, in dem solche Entscheidungen fallen, sei geheim. Der Bundessicherheitsrat ist ein Ausschuss der Bundesregierung, dem die Kanzlerin und sieben Minister angehören, darunter der Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftsminister. Über die Entscheidungen des Gremiums berichtet die Bundesregierung erst im Folgejahr in einem Rüstungsexportbericht. Deshalb hatten die drei Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele, Katja Keul und Claudia Roth Klage eingereicht.
Parlamentarisches Kontrollrecht gilt für genehmigte Rüstungsexporte
Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag entschieden, dass der jährliche Rüstungsexportbericht nicht genügt. Denn die Rüstungsexportpolitik der Regierung müsse vom Bundestag wirksam kontrolliert werden können. „Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht nicht ausüben“, sagte Andreas Voßkuhle, der Präsident des Gerichts. Die Regierung muss deshalb nach der Genehmigung mitteilen, wie viele Rüstungsgüter welchen Typs an welches Land geliefert werden. Sie muss den Hersteller nennen und das Gesamtvolumen des Geschäfts.
In Erwartung eines derartigen Urteils hatte die Bundesregierung schon im Frühjahr erklärt, dass sie das Parlament innerhalb von 14 Tagen über Genehmigungen des Bundessicherheitsrats informiert. So wird es auch bereits praktiziert. Kläger Ströbele zeigte sich enttäuscht, dass das Gericht darüber hinaus keine weiteren Auskunftsansprüche gewährte.
Nationales Rüstungswesen als legitimes Staatsziel
Die entscheidende Frage war: Muss die Regierung ebenfalls Auskunft über Voranfragen von Unternehmen und die Reaktion des Bundessicherheitsrats geben? Meist fragen die Rüstungsfirmen schon Jahre vor dem eigentlichen Antrag an, ob ein Geschäft genehmigungsfähig ist, und beginnen danach erst mit konkreten Verhandlungen. Solche Vorabentscheide seien rechtlich allerdings unverbindlich, argumentierten jetzt die Verfassungsrichter. Abgeordnete müssten darüber nicht informiert werden, weil die Willensbildung der Bundesregierung hier noch nicht abgeschlossen sei. Auch über die Beratungen und Begründungen im Bundessicherheitsrat muss die Regierung keine Auskunft geben. Dort könne nicht frei diskutiert werden, wenn später bekannt wird, welcher Minister sich für ein Rüstungsgeschäft eingesetzt hat. Auch hier gelte also die exekutive Eigenverantwortung der Regierung.
Auskünfte im Vorfeld einer Genehmigung können ebenfalls verweigert werden, um die heimischen Rüstungsunternehmen vor Wettbewerbern zu schützen. Wenn geplante Geschäfte nicht geheim bleiben, so die Richter, besteht die Gefahr, dass ausländische Konkurrenzfirmen davon erfahren und eigene Angebote abgeben. Nach Karlsruher Ansicht stellt „die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar“, das parlamentarischen Rechten vorgehe. Auch hätten die Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen Vorrang vor dem Informationsinteresse der Abgeordneten.
Auf die Frage, ob der Leopard-Export bereits genehmigt wurde, hätte die Bundesregierung 2011 also nur mitteilen müssen: „Ein derartiger Antrag wurde bisher nicht genehmigt.“ Sie hätte nicht mitteilen müssen, ob es überhaupt einen Antrag gab, ob dieser abgelehnt wurde oder ob darüber noch beraten wird. Da der Leopard-Antrag immer noch nicht genehmigt ist, gilt heute nichts anderes.