Inland

Generation Y: Die Leiden der „Millenials“

Die Generation Y, also die der 15- bis 35-jährigen, hat den Ruf, unpolitisch zu sein und sich gesellschaftlich wenig zu engagieren. Die Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung „Krisen-Kinder? Politische Einstellungen junger Europäer_innen“ suchte nach Lösungen.
von Melanie Hudler · 6. Mai 2015
Podiumsdiskussion „Krisen-Kinder“
Podiumsdiskussion „Krisen-Kinder“

Wirtschaftliche Krisen, Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa und eine generelle Prekarisierung der Arbeit durch befristete Verträge und Zeitarbeit sind Zustände, die den „Millenials“ das Leben schwer machen. Ob im Job, bei der Familienplanung oder der Zukunft: Sicherheiten scheint es nicht mehr zu geben. Ist diese Generation aber wirklich unpolitisch? Welche Wünsche und Forderungen stellt sie an die Politik? Fühlt sie sich von den politischen Parteien überhaupt noch ausreichend repräsentiert?

Die Studie „The Millenial Dialogue“, in der politische Einstellungen junger Menschen in Deutschland, Italien und Polen untersucht worden sind, wurde am Dienstag Abend vorgestellt. Für sie wurden 1000 junge Deutsche, Italiener und Polen zu ihren politischen Einstellungen und ihrem Engagement befragt. Insgesamt war weniger als ein Fünftel (17 Prozent) der „Millenials“ an Politik „sehr interessiert“ und beschäftigte sich damit. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen (56 Prozent) gab an, dass ihre Generation im Vergleich mit ihren Eltern und Großeltern „weniger an Politik interessiert sei“.

Online-Kampagnen statt Demos

Zudem hätten viele Jugendliche das Gefühl, sie könnten Politikern nicht vertrauen und es gebe keine Unterschiede mehr zwischen den Parteien. Insgesamt fühlen sich drei Viertel der Befragten mit ihren Wünsche von der Politik ignoriert. Nur 16 Prozent hatten das Gefühl, dass sie sich in irgendeiner Form Gehör verschaffen könnten. Laut einem Teilnehmer der Studie würden junge Menschen heute viel lieber an Online-Kampagnen teilnehmen, als sich „im richtigen Leben“ politisch zu engagieren. Dazu passt auch das Zitat eines polnischen Teilnehmers an der Studie: „Bräche in Polen morgen die Revolution aus, gäbe es ziemlich viele „Likes“ auf Facebook, aber keine echten Revolutionäre auf der Straße.“

Im Gegensatz zu den Studienergebnissen, habe die SPD keine Nachwuchsprobleme, sagte die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bei der anschließenden Podiumsdiskussion. Gesamtgesellschaftlich gebe es aber eine „zunehmende Entsolidarisierung und eine soziale Spaltung in Deutschland“. Sie beobachte einen „Rückbau von Chancen und Zugängen im Bildungswesen und eine Prekarisierung auf dem Arbeitsmarkt“. Diese Unsicherheiten führten dazu, dass sich junge Menschen immer mehr ins Private zurückzögen. Die SPD wolle hier ansetzen und die „Generation Praktikum abschaffen, Kettenbefristungen beenden und bessere Beschäftigungsmöglichkeiten für benachteiligte Jugendliche schaffen“.

„Politikmüdigkeiten bei Jugendlichen“

Die Jusos-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann hingegen sagte, dass es noch „deutlich Luft nach oben“ gebe hinsichtlich des Engagements von Jugendlichen. Themen, die Jugendliche betreffen, wie Studium und Ausbildung, würden von Politikern oft nicht ernst genommen. Einen Grund für das Desinteresse der „Millenials“ an politischen Prozessen sieht Uekermann in der „neoliberalen Umgestaltung von Schulen und Universitäten zu demokratiefreien Räumen“. Möglichkeiten der Mitbestimmung seien in den vergangenen Jahren reduziert worden. Deswegen forderte sie: „Wir müssen die Lebensumfelder der jungen Leute wieder demokratisieren. Junge Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie ihre Stimme einbringen können und sie gehört werden.“

Marian Schreier, jüngster Bürgermeister Deutschlands, beobachtet eine gewisse „Politikmüdigkeit“ bei den Jugendlichen, die sich angesichts globaler Krisen und heimischer unsicherer Arbeitsverhältnisse überfordert ins Private zurückzögen. Die Politik müsse hier ansetzen und klarmachen, dass jeder Einzelne einen Unterschied machen könne. Zudem müssten die Jugendorganisation der Parteien stärker um Mitglieder werben.

Entfremdung zwischen Politik und Jugendlichen

Die Autorin Julia Friedrichs, deren Bücher und Reportagen immer wieder soziale Ungleichheit in Deutschland behandeln, warnt vor einer „ganz neuen Qualität“ der Entfremdung. „Der Übergang zwischen Jugendlichen und Politik ist in weiten Teilen zerrüttet.“ Für junge Menschen gestalte sich die Frage, wie sie Familie und Beruf vereinbaren können, immer schwieriger. Die Politik müsse darauf Antworten finden. Friedrichs wirft Politikern vor, ihre Themen vor allem nach den Interessen der älteren Generation auszurichten. Problematisch sei auch, dass die „Millenials“ sehr individualistisch leben und selten gemeinschaftliche Lösungen suchen würden. Friedrichs fordert junge Menschen auf, sich wieder stärker einzubringen: „Es ist unser Land. Wir müssen es einfordern!“

Wie kann Politik angesichts dieser eher düsteren Aussichten Jugendliche wieder für Politik begeistern? Yasmin Fahimi sieht in dem von der SPD gestarteten Programm „Digital Leben“ einen Anfang. Zudem sollten die Jusos mehr Zielgruppenarbeit leisten und damit mehr Jugendliche mobilisieren. Die Nachbarschaftskampagne der Partei sei dabei auch hilfreich.

Arbeitsbedingungen verbessern

Julia Friedrichs hingegen sieht die Politik in der Pflicht, das Arbeitsleben für Jugendliche wieder sicherer zu machen. Ansonsten würde sich die Gesellschaft immer stärker in Milieus aufspalten, in „Leute, die es geschafft haben und Leute, die es nicht geschafft haben“. Sie sieht in der Entpolitisierung der Jugendlichen auch die Gefahr, dass die Menschen irgendwann nach „einfachen Lösungen“ und „autoritären Politikmodellen“ verlangen würden. Zukunftsfragen wie „Vermögensverteilung, Chancengerechtigkeit und Bildung für alle“ müssten von der Politik jetzt bearbeitet werden.

Johanna Uekermann plädiert dafür, soziale Medien verstärkt in der Kommunikation mit jungen Menschen einzusetzen. Zudem müssten die Unsicherheiten der „Millenials“ ernst genommen werden. Lehrlinge sollten beispielsweise nach ihrer Ausbildung eine Garantie auf Übernahme bekommen. Wichtig sei auch die „Glaubwürdigkeit der Politik“. Viele junge Menschen vertrauten Politikern nicht, weil ihre Sprache „abgeschliffen“ sei oder sie fühlten sich von älteren Politikern nicht angesprochen.

„Mehr junge Vorbilder für die Politik“

Marian Schreier sagte, dass Jugendlichen vor allem Raum gegeben werden müsste, sich zu engagieren, z.B. in Jugendtreffs oder Jugendparlamenten. „Man muss die Voraussetzungen schaffen, damit alle teilnehmen können.“ Außerdem solle die zeitliche Überbeanspruchung von Schülern reduziert werden. Schreier ist wohl das beste Beispiel dafür, dass auch junge Menschen in der Politik etwas erreichen können. „Wir brauchen mehr junge Vorbilder in der Politik. So vermitteln wir den Jugendlichen, dass es möglich ist, Dinge zu verändern“, so Schreier.

Autor*in
Melanie Hudler

war Praktikantin beim vorwärts (2015).

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