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Generaldebatte: Wie Kanzler Scholz CDU-Chef Merz im Bundestag vorführt

Eigentlich rechnet in der Generaldebatte die Opposition mit der Regierung ab. Doch diesmal geht Kanzler Olaf Scholz in die Offensive und knöpft sich CDU-Chef Merz vor. Der sieht danach ziemlich alt aus.
von Lars Haferkamp · 1. Juni 2022
In der Offensive: Bei der Generaldebatte im Bundestag am 1. Juni 2022 nimmt sich ein kämpferischer Kanzler Scholz die Opposition von CDU und CSU vor.
In der Offensive: Bei der Generaldebatte im Bundestag am 1. Juni 2022 nimmt sich ein kämpferischer Kanzler Scholz die Opposition von CDU und CSU vor.

„Sie haben sich mit Ihrem Manuskript ja sehr viel Mühe gegeben“, wendet sich Olaf Scholz unmittelbar nach Friedrich Merz an seinen Vorredner. „Das, was Sie hier vorgetragen haben, sind lauter Fragen. Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und haben nichts Konkretes gesagt. More Beef (mehr Substanz) wäre wirklich sehr vernünftig gewesen.“ Lachen und kräftiger Applaus der Koalition. „Da werden Sie nicht mit durchkommen, immer nur Fragen zu stellen und sich niemals in irgendeiner Frage sinnvoll zu positionieren. Und wenn Sie es dann machen, dann wird’s peinlich.“ Man kann dem Gesicht von Merz ansehen, dass die Worte des Kanzlers ihn treffen.

Damit ist der Ton gesetzt, den Olaf Scholz in dieser Generaldebatte anschlägt. Sie ist der Höhepunkt der Haushaltswoche und traditionell die Gelegenheit für die Opposition, die Politik der Regierung zu kritisieren. Eigentlich. Denn Bundeskanzler Olaf Scholz dreht den Spieß um. Kämpferisch und offensiv geht er die Union und ihren Chef Friedrich Merz an. Punkt für Punkt widerlegt er die falschen Behauptungen der Opposition.

So hatte ihm Merz vorgeworfen, es mangele an gemeinsamem, europäischem Handeln von Berlin und Paris im Ukraine-Krieg. Scholz erinnert den Oppositionsführer: „Sie haben völlig übersehen: Das letzte Telefongespräch (mit Putin, Anm.d.Red.) war ein gemeinsames mit dem französischen Präsidenten.“ Das Ganze sei „eine europäische Aktion“ mit Präsident Macron gewesen. „Und ganz anders, als Sie das hier darstellen, sind die anderen Länder Europas überwiegend sehr sehr froh darüber, dass wir genau das machen.“

Olaf Scholz: Merz' Soli-Vorschlag ist schlechte Idee

Dann knöpft sich der Kanzler den „einen konkreten Vorschlag“ vor, den der CDU-Chef in seiner Rede gemacht hat: „für fast alle Bürger“ über einen Solidaritätszuschlag zu erhöhen zur Finanzierung der Bundeswehr. „Was für ein merkwürdiger Einfall“, sagt Scholz unter langem Applaus der Ampel-Koalition. „Einen ganzen Bundestagswahlkampf haben Sie damit geführt, zu sagen, dass der Soli auch für die Leute, die 400.000 Euro im Jahr verdienen, weg muss. Um dann jetzt vorzuschlagen, dass Leute, die 60.000 Euro verdienen, den Soli jetzt aber zahlen sollen. Das ist keine gute Idee“, betont der Kanzler.

Wenn man über die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands spreche, sei eines „schon ganz ganz zentral“, so Scholz: „Dann muss man als Oppositionsführer, der von der CDU/CSU kommt, schon sagen: Die Verteidigungsministerinnen und -minister der letzten Jahre waren in der CDU und der CSU, die Kanzlerin war in der CDU. Und darüber hätten Sie wenigstens ein Wort verlieren können, Herr Merz!“ Erneut kräftiger, langer Applaus der Regierungsfraktionen.

Krise der Bundeswehr begann mit Guttenberg

„Die schlechte Zeit der Bundeswehr hat begonnen, als ein presseaffiner, viel kommunizierender, selten sich in seinem Amt aufhaltender Bundesverteidigungsminister Guttenberg entschieden hat, ordentlich einzusparen und die Wehrpflicht abzuschaffen“, betont Scholz. „Und darunter leiden wir noch heute, dass all das Geld damals zusammengestrichen worden ist.“ Dann richtet sich der Kanzler noch einmal an den Oppositionschef: „Manchmal ist Sacharbeit wirklich eine nützliche Sache, Herr Merz!“

In seiner Rede hatte der CDU-Chef zuvor den Kanzler aufgefordert, genau zu sagen, wie er sich einen Sieg der Ukraine vorstelle und dabei schon einmal festgelegt, bis zu welcher Stelle die russischen Truppen zurückgeschlagen werden müssten. Auch darauf hat Scholz eine klare Antwort: „Es ist überheblich, und es ist unangemessen, und es ist völlig fehl am Platze, wenn hierzulande darüber diskutiert wird, was die Ukraine richtiger Weise zu entscheiden hat. Ich sage es mit dem amerikanischen Präsidenten: Über die Ukraine entscheiden die Ukrainerinnen und Ukrainer und niemand sonst, Herr Merz!“

Kanzler: Merz tänzelt fragend durch die Landschaft

Eine andere Frage von Merz beantwortet Scholz dagegen erneut sehr genau: Welche Waffen Deutschland an die Ukraine liefert. Minutenlang und detailliert legt der Kanzler dar, um welche Waffen es sich dabei handelt, „weil Sie ja nur fragend durch die Landschaft getänzelt sind, Herr Merz“. Scholz stellt klar: „Wir liefern kontinuierlich, von Beginn des Krieges an.“ Deutschland müsse sich da nicht verstecken. „Wir helfen in umfangreicher Weise. Und das könnte auch zur Kenntnis genommen werden und nicht durch Fragen in Frage gestellt werden, die einfach mit Fakten nichts zu tun haben.“ Die permanenten Unterstellungen der Union hätten mit der Realität nichts zu tun.

Dazu gehöre auch die Behauptung, die Ukraine wolle die von Deutschland zugesagten Gepard-Panzer gar nicht haben. „Hier im Bundestag haben das auch welche erzählt, ganz naseweis.“ Das sei zu keinem Zeitpunkt richtig gewesen. Der Gepard „ist eine hochwirksame, eine hochschwere Waffe“ und sie werde in der Ukraine zum Einsatz kommen. Das gelte auch für „zwölf der modernsten Panzerhaubitzen der Welt“, die Deutschland liefern werde. Das seien sehr schwere Waffen. Das in Frage zu stellen, sei „dahergeredetes Zeug, dass Sie da vortragen“.

Scholz: neue modernste Waffen für Ukraine

Dann macht der Kanzler ein Ankündigung: „In den kommenden Wochen werden wir weitere Waffen liefern.“ Die Bundesregierung habe aktuell entschieden, „das modernste Flugabwehrsystem über das Deutschland verfügt“ zu liefern. „Damit versetzen wir die Ukraine in die Lage, eine ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen zu schützen.“ Ferner werde man „ein hochmodernes Ortungsradar liefern“. Das werde die Sicherheit der Ukraine „mit modernstem Gerät“ sicherstellen. Alle diese Fakten, so der Kanzler, zeigten: „Alles, was Sie sagen, ist nicht richtig. Wir machen das, was möglich ist.“

Scholz verweist auf die Entscheidung von US-Präsident Biden, der Ukraine zwar Mehrfachraketenwerfer zu liefern, aber keine Waffen, mit denen Russland erreicht werden könne. Biden hatte dies am Dienstag in einem Gastbeitrag in der New York Times angekündigt. „Die Besonnenheit, die Fähigkeit abzuwägen, das Für und Wider zu erörtern, das wünschte ich mir auch von der Opposition in diesem Deutschen Bundestag“, so der Kanzler unter kräftigem Beifall aus der Koalition.

Sondervermögen arbeitet CDU-Versagen auf

Es sei sehr einfach, immer noch mehr und noch mehr an Waffenlieferungen zu fordern oder zu sagen, wir liefern gar nichts. „Aber das, was man tun muss, ist genau der Weg, den diese Regierung eingeschlagen hat: Große Entschlossenheit, Mut und kluge Abwägung. Das ist das was wir tun.“

Mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro werde eine „leistungsfähige und fortschrittliche Bundeswehr“ geschaffen. Und noch einmal wendet sich der Kanzler an die Union. „Die Versäumnisse der letzten 16 Jahre von CDU- und CSU-Verteidigungsministern, die werden jetzt aufgearbeitet und aufgeholt.“ Empörter Widerspruch bei der Unionsfraktion. Scholz aber fährt unbeeindruckt fort: „Das weiß jeder Soldat in Deutschland: Es waren die CDU/CSU, die die Sparzeit bei der Bundeswehr begonnen haben. Das ist die Wahrheit.“

Starker und langer Applaus für Scholz

Das Sondervermögen sei ein „Quantensprung“, der die Bundeswehr zur größten europäischen Armee in der NATO mache. Die europäischen Verbündeten verspürten Erleichterung: „Alle sind sehr beeindruckt von diesem Schritt. Endlich, sagen sie, endlich übernimmt Deutschland die sicherheitspolitische Verantwortung, die es im 21. Jahrhundert hat. Und zwar von einer Ampel-Regierung angeführt, liebe Freunde von CDU und CSU.“ Der starke und langhaltende Applaus von SPD, Grünen und FDP und das versteinerte Gesicht von Friedrich Merz zeigen, dass Olaf Scholz einmal mehr den richtigen Ton getroffen hat.

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