Inland

Gegen wachsende Ungleichheit: Nahles wirbt für anständige Löhne

Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht zeigt vor allem eines: Die Ungleichheit bei den Vermögen hat sich verfestigt. Politik kann das ändern, sagt Bundesministerin Andrea Nahles. Was ist zu tun, wenn sich harte Arbeit nicht mehr lohnt?
von Vera Rosigkeit · 12. April 2017
Armut und Reichtum
Armut und Reichtum

Es ist vor allem ein Ergebnis des heute vom Bundeskabinett beschlossenen fünften Armuts- und Reichtumsberichts (5. ARB), das für Schlagzeilen sorgt: die verfestigte Ungleichheit bei den Vermögen in Deutschland. Danach besitzen die „reichsten 10 Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des gesamten Netto-Vermögens. Die untere Hälfte nur ein Prozent“, erklärte Bundesarbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles. Ihr Ministerium war federführend für den Bericht, mit dem seit 2001 in Abständen von vier Jahren eine Bestandsaufnahme der sozialen Lage in Deutschland ermittelt wird. Der Bericht kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass zu Beginn des letzten Jahrzehnts die Einkommen noch deutlich gleichmäßiger verteilt waren und die Ungleichheit der Vermögen in Deutschland im internationalen Vergleich anhaltend hoch ist.

„Harte Arbeit lohnt sich nicht"

Er zeigt zudem, dass der wirtschaftliche Aufschwung nicht bei allen ankomme, so Nahles. Das gehe aus dem Reallohneinkommen der unteren 40 Prozent der Beschäftigten hervor, die danach 2015 weniger verdient haben als Mitte der 90er Jahre. Nahles dazu: „Wenn sich harte Arbeit für die, die klein anfangen müssen, kaum auszahlt, schadet das uns allen.“

Zugleich betonte die Ministerin aber auch, dass mit die Einführung des Mindestlohns diese Entwicklung etwas zurückgedreht werden konnte. Ähnliches erhoffe sie sich durch ihre Gesetze zur Begrenzung von Werkverträgen und  Leiharbeit. Doch das seien nur erste Schritte. „Ich wünsche mir einen Pakt für anständige Löhne – im Handel etwa, in der Pflege oder bei anderen Dienstleistungen“, so Nahles.

AWO fordert „umverteilen"

Gewerkschaften und Sozialverbände forderten im Anschluss an die Veröffentlichung die Bundesregierung auf, mehr für eine faire Verteilung des Wachstums zu tun. Wolfgang Stadler, Vorsitzender der Arbeiter Wohlfahrt (AWO), sprach sich für wirksame Umverteilungsmaßnahmen aus, um ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft in Arm und Reich zu verhindern. Stadler warnte zugleich davor, angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen Reichen und Vermögenden weitere Steuergeschenke zu versprechen.

Der Armuts- und Reichtumsbericht analysiert Lebenslagen in Deutschland wie die Erwerbstätigkeit, die Einkommens- und Bildungssituation, die Gesundheit und das Wohnen für Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen. Für den fünften Bericht hatte sich Bundesministerin Nahles vorgenommen, nicht nur das Thema Armut und Armutsbekämpfung in den Fokus zu rücken. Sie wollte auch mehr über Reichtum in unserer Gesellschaft in Erfahrung bringen, da es nur wenig Daten dazu gibt.

Schon im Vorfeld der Veröffentlichung hatte der Bericht für Aufsehen gesorgt, weil er monatelang im Kanzleramt auf Eis lag. Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge kritisierte nach dem heutigen Kabinetssbeschluss zudem, dass Überlegungen zum Verhältnis von Armut, Reichtum und (repräsentativer) Demokratie, „dem Rotstift im CDU-geführten Bundeskanzleramt zum Opfer fielen". So sei das Ergebnis einer Untersuchung gestrichen worden, wonach die Wahrscheinlichkeit für eine Politikänderung wesentlich höher sei, wenn diese von vielen Befragten mit höherem Einkommen unterstützt werde, erklärte Butterwegge in einem Beitrag für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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