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Gegen Ungleichheit: Die Vermögensteuer ist eine wichtige Stellschraube

Der Armuts- und Reichtumsbericht zeigt: Die Corona-Pandemie hat die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland vergrößert. Die Vermögenssteuer würde dem entgegenwirken, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe.
von Kai Doering · 12. Mai 2021
SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe mit einer Grafik zur Vermögensbildung in Deutschland: Die Verteilungsfrage wird sich nach der Pandemie drastisch stellen.
SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe mit einer Grafik zur Vermögensbildung in Deutschland: Die Verteilungsfrage wird sich nach der Pandemie drastisch stellen.

Die Menschen in Deutschland sind im Durchschnitt so reich wie noch nie. Das hat die Deutsche Bundesbank kürzlich ermittelt. Gleichzeitig zeigt der Entwurf des Armuts- und Reichtumsberichts, dass Millionen Menschen während der Pandemie deutliche Einkommenseinbußen haben. Vergrößert Corona die gesellschaftliche Spaltung?

Ja, das ist leider so. Die Pandemie wirkt ja für ganz unterschiedliche Lebensbereiche wie ein Brennglas und zeigt bestehende Ungerechtigkeiten ganz deutlich auf. Die Ungleichheit ist ja nicht erst seit Corona groß. Sie ist vielmehr eine Entwicklung, die wir seit Jahrzehnten beobachten. Insbesondere was die Vermögen angeht, ist die Ungleichheit in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern besonders groß. Und Corona droht die Situation noch zu verschlechtern: Die, denen es gut geht, trifft die Krise kaum, diejenigen, die vorher schon nicht viel hatten, sind dagegen überproportional betroffen.

Woran liegt das?

Neben der Frage, welche Jobs von der Krise besonders betroffen sind, sind natürlich auch die Wohnungssituation und die Ausstattung beispielsweise für digitalen Unterricht von Kindern sehr wichtig. Wenn ich ein großes Haus mit Garten habe und jedes meiner Kinder einen eigenen Laptop besitzt, dann ist es natürlich einfacher als wenn ich mit fünf Menschen in einer Dreizimmerwohnung wohne und man als Familie vielleicht einen Computer besitzt. Die Verteilung der Vermögen ist enorm wichtig und bestimmt auch andere Lebensaspekte. Vermögen ist eine Form von Leistungsfähigkeit und deswegen ist es so wichtig darüber zu sprechen, wie Vermögen in Deutschland besteuert werden. Die Vermögensteuer wurde 1996 ausgesetzt und auch die Erbschaftssteuer ist trotz einer Novelle 2016 eher zahnlos. Die Grundsteuer wurde 2018 reformiert, alles in allem aber auch nahezu aufkommensneutral. Das alles trägt nicht gerade dazu bei, die Lasten der Krise gerecht zu verteilen. Deshalb braucht es eine Form des Lastenausgleichs.

Woran denken Sie dabei?

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten. In der Nachkriegszeit hat Konrad Adenauer eine Vermögensabgabe eingeführt. Wem nach dem Krieg ein beträchtliches Vermögen geblieben war, musste 50 Prozent davon in einen Ausgleichsfonds einbezahlen, nicht sofort, sondern gestreckt über bis zu 30 Jahre. Die Verteilungsfrage wird sich nach der Pandemie genau so drastisch stellen. Um die Ungleichheit in Deutschland zu reduzieren, könnte man erneut eine Vermögensabgabe wie in den 50er Jahren erheben oder man belebt die Vermögensteuer wieder. Eine dritte oder ergänzende Möglichkeit ist eine echte Reform der Erbschaftsteuer. Im Programm für die Bundestagswahl macht sich die SPD für die Wiedereinführung der Vermögensteuer stark: Wir als SPD fordern eine Vermögensteuer von einem Prozent in Kombination mit hohen Freibeträgen. So werden nur die wirklich Reichen belastet.

Kritiker haben Sorge, dass eine Vermögens- wie eine höhere Erbschaftsteuer Unternehmen gefährden und damit auch Arbeitsplätze.

Die Argumente sind aus meiner Sicht undifferenziert. Der SPD ist der Mittelstand besonders wichtig. Er schafft und unterhält die Arbeitsplätze für den Großteil unserer Bevölkerung. Deshalb gibt es bei der Erbschaftsteuer auch Verschonungsregelungen. Leider sind die aber zu großzügig: Mehr als 90 Prozent des vererbten Betriebsvermögens wird gar nicht besteuert. Derzeit werden auf diese Weise viele Unternehmen vererbt, ohne dass nennenswerte Steuersätze gezahlt werden müssen. Besser wäre es deswegen, wenn moderate Mindeststeuersätze eingeführt werden würden. Diese könnten über einen bestimmten Zeitraum gestundet abbezahlt werden. Auch dann müsste niemand Angst haben, dass ein vererbter Betrieb verkauft werden muss oder dass ausländische Investoren eindringen und den Mittelstand kaputt machen.

Kurzarbeitergeld, Wirtschaftshilfen und das Konjunkturpaket: Die Corona-Krise verursacht dem Staat immense Kosten. Gleichzeitig gibt es auch Profiteure. Kommt Deutschland zur Deckung der Kosten überhaupt um eine Vermögensteuer herum?

Ich denke nicht. Sogar der Internationale Währungsfonds hat inzwischen die Einführung einer Vermögensteuer vorgeschlagen, um die Kosten der Pandemie zu stemmen. Nicht zuletzt die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig ein starker Staat und eine funktionierende öffentliche Daseinsvorsorge sind. Dafür braucht der Staat aber eine gute Einnahmebasis. Die Vermögensteuer ist dafür eine wichtige Stellschraube. Nicht umsonst ist sie im Grundgesetz ja auch ausdrücklich vorgesehen. Deshalb fordert die SPD die Wiedereinführung der Vermögensteuer, um die Ungleichheit in Deutschland zu verringern.

Sie haben es bereits gesagt: Die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben, das Vermögensteuergesetz ist aber weiter in Kraft. Die FDP fordert nun in einem Antrag im Bundestag, dass das Gesetz nun abgeschafft wird. Warum gerade jetzt?

Ich denke, die FDP will vor der Bundestagswahl Fakten schaffen, denn wer weiß, welche Konstellation ab September regiert und ob dann die Vermögensteuer nicht reaktiviert wird. Wenn vorher die gesetzliche Grundlage abgeschafft wird, würde die Wiedereinführung der Vermögensteuer deutlich schwieriger. Für die Klientel der FDP wäre es ja eine Katastrophe, wenn Vermögen höher besteuert würden. Erfolg wird die FDP mit ihrer Initiative aber nicht haben – zum einen, weil ihr die Mehrheiten fehlen, zum anderen, weil sich der gesellschaftliche Diskurs klar hin zur Befürwortung einer Vermögensteuer verschoben hat. Das gilt auch für andere Themen. Inzwischen fordert ja sogar die CDU, dass die Schuldenbremse reformiert wird.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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