Geflüchtete in Griechenland: Druck der SPD zeigt Wirkung
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich zeigte sich am Dienstagmittag verwundert. „Ich kenne diese Zahl nicht“, sagte er mit Bezug auf Medienberichte, nach denen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Innenminister Horst Seehofer darauf verständigt haben sollen, zusätzliche Geflüchtete aufnehmen zu wollen.
Die Gespräche zu weiteren Maßnahmen würden innerhalb der Koalition noch geführt, erklärte der Sozialdemokrat den anwesenden Journalist*innen, bisher seien noch keinerlei Zahlen genannt worden. „Wir wollen, dass Deutschland zu einer substantiellen Verabredung kommt“, bekräftigte Mützenich die Forderungen der SPD, über die Maßnahmen werde mit der Bundesregierung noch gesprochen. Am Rande der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion stellte er gleichzeitig klar: „Die Bundesregierung besteht nicht nur aus dem Innenminister und der Bundeskanzlerin“.
Druck der SPD bringt Bewegung in Gespräche
Die SPD hatte seit dem Wochenende den Druck auf den Koalitionspartner erhöht, mehr als die vereinbarten 400 unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten aufzunehmen, auf die sich Frankreich und Deutschland zunächst geeinigt hatten. Viele SPD-Spitzenpolitiker*innen hatten in den vergangenen Tagen auf die zahlreichen Kommunen und Bundesländer verwiesen, die sich schon vor dem verheerenden Feuer im griechischen Flüchtlingslager Moria dazu bereit erklärt hatten, mehr Geflüchtete aufzunehmen – und dem Koalitionspartner ein Ultimatum bis Mittwochmorgen gestellt. Am Dienstag kursierte dann die Zahl von 1500 Geflüchteten, die zusätzlich aufgenommen werden sollten.
Ein Gerücht, das der migrationspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, zunächst mit einem Lob kommentierte: „Gut, dass sich die Union auf unseren Druck hin endlich bewegt.“ Gleichzeitig betonte er am Dienstagvormittag, dass damit die gemeinsame Verantwortung auf europäischer Ebene nicht erloschen sei, die europäischen Partner*innen seien weiterhin in der Verantwortung, erklärte er auf Twitter. An dem Vorschlag, an den EU-Grenzen europäische Asylzentren einzurichten – also auch in Griechenland – hält Castellucci weiterhin fest. Im Interview mit dem „vorwärts“ hatte er diese Idee bereits in der Vergangenheit skizziert. Ob dieser Vorschlag auch auf europäischer Ebene Anklang findet, ist noch unklar. Am Mittwoch wird die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Rede im Parlament halten. Es wird erwartet, dass sie darin auch auf die EU-Asylpolitik eingeht.
In dem griechischen Flüchtlingslager Moria waren zuletzt rund 12.000 Geflüchtete untergebracht, zu Jahresbeginn waren es sogar über 20.000, ausgelegt war Moria aber nur für rund 3.000. Die Unterbringung, die Hygiene und die Asylverfahren wurden deswegen immer wieder von Menschrechtsorganisationen scharf kritisiert.
Der SPD war die Aufnahme von 400 unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, auf die sich Frankreich und Deutschland zunächst geeinigt hatten, zu wenig. SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken, aber auch Kanzlerkandidat Olaf Scholz sowie weitere Sozialdemokrat*innen in Bund und Ländern hatten in den vergangenen Tagen gefordert, deutlich mehr Menschen Zuflucht zu gewähren. Vor allem CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer wurde deswegen hart kritisiert, der stellvertretende Parteivorsitzende Kevin Kühnert hatte ihm jüngst den Rücktritt nahegelegt, sollte er nicht einlenken. Seehofer hatte in der Vergangenheit auch Landesaufnahmeprogramme für Geflüchtete abgelehnt – mit Verweis darauf, an einer europäischen Lösung zu arbeiten.
Hilfe vor Ort und Aufnahmebereitschaft
Ein Punkt, der für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich am Dienstag aber kein Widerspruch darstellte: „Am Ende muss ein Gesamtkonzept stehen“, sagte er. Er wolle zwar keine Illusionen verbreiten, dass alle EU-Staaten daran beteiligen würden, aber es habe in der Vergangenheit immer wieder Länder gegeben, die beispielsweise bei der Seenotrettung bereit waren, zu helfen. „Wenn Deutschland eine Zahl nennt, folgen auch andere Länder", äußerte er sich zuversichtlich – und schickte in Richtung des Koalitionspartners: „Ich bin gespannt, bei welcher Zahl wir uns treffen.“
In Griechenland ist derweil das UN-Flüchtlingshilfswerk damit beschäftigt, ein neues provisorisches Lager mit Zelten aufzubauen. Einige Geflüchtete wurden Medienberichten zufolge bereits von der Insel evakuiert, viele harren allerdings noch dort aus – und da die griechische Regierung in Moria von Brandstiftung ausgeht, dürfen viele Lesbos auch gar nicht verlassen. Inwieweit das auch die deutschen Pläne zur Übernahme der Geflüchteten beeinflusst, ist derzeit noch unklar. Auch in dieser Richtung sprach Mützenich von einem „klaren Signal“ in Richtung der griechischen Regierung. Hilfe sei vor Ort ebenso notwendig wie die Aufnahmebereitschaft der EU-Länder.