Inland

Geflüchtete Frauen besser schützen

Die Sicherheit kann trügerisch sein: Geflüchtete Frauen werden in Deutschland nicht selten Opfer von Gewalt. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Aydan Özoguz und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig haben nun Vorschläge für einen besseren Schutz vorgelegt.
von Karin Billanitsch · 15. Januar 2016
Frauen vor Flüchtlingsunterkunft
Frauen vor Flüchtlingsunterkunft

Sie haben einen langen Weg hinter sich, fliehen vor Krieg und Gewalt in ihrer Heimat.  Frauen, manche von ihnen allein unterwegs, und Kinder sind eine besonders gefährdete Gruppe unter den Flüchtlingen. Nicht selten erfahren sie auch auf der Flucht Gewalt – und mitunter setzt sich das auch in Deutschland fort, wo sie sich in Sicherheit wähnen. „Jeder Fall von Gewalt, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch ist einer zuviel. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Frauen in den Flüchtlingsunterkünften geschützt werden“, sagte Manuela Schwesig am Donnerstag in Berlin.

Auf einer Tagung des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) wurde darüber debattiert, wie Betroffene ihre Rechte wahren können und ihnen geholfen werden kann. Gemeinsam mit Aydan Özuguz will Schwesig notwendige Maßnahmen auf den Weg bringen. Dazu zählt Schwesig – neben konkreten Schutzmaßnahmen vor Ort – eine Regelung zum Führungszeugnis für alle hauptamtlichen Mitarbeiter in Flüchtlingsheimen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. „Hier wollen wir eine Schutzlücke schließen.“

Schutzräume fehlen

Ein großes Problem ist zurzeit, dass es in vielen großen Unterkünften wie Hallen, Containern und Zelten weder für Geschlechter getrennte Sanitäreinrichtungen noch Rückzugsräume für Frauen und Kinder gibt. Etwa ein Drittel der Geflüchteten sind Frauen, sagte Özuguz. Duschen oder Toiletten sind manchmal nicht abschließbar. Mehrere hundert Menschen leben auf engstem Raum ohne Privatsphäre. Bei der Zahl von über einer Million Flüchtlingen sei es 2015 vor Ort oft darum gegangen, Obdachlosigkeit zu vermeiden. Standards und Qualität der Unterkünfte waren eher zweitrangig.

Nun ist das Ziel, aus dem akuten Krisenmodus zu kommen und bessere Strukturen zu schaffen. Zum einen wird ein Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufgelegt, ausgestattet mit Fördermitteln in Höhe von 200 Millionen Euro, wie Manuela Schwesig ankündigte. Die Kommunen sollen gefördert werden, wenn sie Schutz- und Rückzugsräume in Unterkünften schaffen. Zudem sollen Schwangere und Frauen mit Kindern vorzugsweise auch in Jugendherbergen untergebracht werden. „Wir sind darüber im Gespräch mit dem Jugendherbergsverband“, sagte Schwesig.

Hohe Dunkelziffer

Konkrete Daten über die Zahl der Gewalt-Vorkommnisse in Flüchtlingsunterkünften liegen nicht. „Wir haben keinen vollständigen Überblick, und es wird nicht leicht sein, sich diesen zu verschaffen“, sagte Özuguz. Es gibt zwar Registrierungsdaten bei Ankunft der Flüchtlinge, doch erstens sind sie noch unvollständig, und zweitens kann aus ihnen nicht abgelesen werden, wer zum Beispiel alleine reist. Aber es gibt Berichte über Vorkommnisse: Das DIMR hat in Brandenburg Berichte von Sozialarbeitern gesammelt. Mit der Hilfe des Kinderhilfswerks UNICEF soll Personal in Unterkünften geschult werden, damit sexuelle Übergriffe schneller erkannt werden können.

Özuguz möchte 2016 Daten erheben, unter anderem, um das Gefährdungspotenzial in Flüchtlingsunterkünften besser beurteilen zu können. Die Dunkelziffer ist hoch: Viele Frauen sprechen nicht über sexuelle Belästigung. Zum Beispiel, weil sie sich schämen, der Täter aus der Familie kommt oder weil sie nicht wissen, wo sie Hilfe bekommen können. „Es gibt eine geringe Bereitschaft, anzuzeigen“, sagte Petra Follmar-Otto vom DIMR. Manchmal sorgten sich die Frauen auch um negative Auswirkungen auf das Asylverfahren.

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen

Nun soll besser bekannt gemacht werden, dass es ein Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ gibt. Deutschlandweit ist eine Beratung in vielen Sprachen möglich. Darüber hinaus wollen Schwesig und Özuguz sich dafür einsetzen, dass die Rechte von Frauen und Männern in Deutschland und das Thema Gleichberechtigung ein Schwerpunkt in den Integrationskursen für Flüchtlinge wird. Schwesig will auch erreichen, dass Kinderbetreuung während der Teilnahme an den Kursen wieder eingeführt wird. Sie war 2015 abgeschafft worden.

Rolf Rosenbrock, der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, lenkte auf der Tagung auch den Blick auf die Situation in vielen Massenunterkünften: „Wir müssen ein Klima von Akzeptanz und Respekt schaffen und jede Möglichkeit ergreifen, zu Aktivität zu ermuntern. Wenn man Flüchtlinge als passive Verwaltungsmasse betrachtet, kann ganz viel schief gehen.“

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Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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