Inland

Gefährliche Sprachlosigkeit angesichts der AfD

von Frank Überall · 26. September 2014
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Mit dem Sprung der AfD in die Landesparlamente in Brandenburg und Thüringen hat auch die Berichterstattung über die rechtpopulistische Partei zugenommen. Dabei offenbart sich bei vielen Medien Orientierungslosigkeit im Umgang.

Sie sind die Schmuddelkinder des modernen Politikbetriebs. „Spiegel Online“ beschimpft sie als Nervensägen. In der satirischen „heute show“ macht sich Moderator Oliver Welke genüsslich über sie lustig. Die Rede ist von Politikern der Alternative für Deutschland (AfD).

Verklausulierte Fremdenfeindlichkeit

Als Berichterstatter ist es gar nicht so einfach, die AfD klar zu charakterisieren. Manchmal äußern sich Vertreter so, dass es eindeutig als rechtsradikal zu klassifizieren wäre.

Was die AfD betreibt, ist aber kein blanker Nazismus oder Extremismus. Man kann die Partei nicht mit der NPD oder den Republikanern gleichsetzen.

Vielmehr setzt die selbsternannte „Alternative“ das fort, was der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler von der Fachhochschule Düsseldorf als „Kulturalisierung des Rechtspopulismus“ bezeichnet: Die „Pro Bewegung“ (z.B. Pro Deutschland, Pro Köln) hat es vorgemacht und den Versuch unternommen, zurückhaltender aufzutreten und Fremdenfeindlichkeit zu verklausulieren. Den „Pro-Gruppen“ gelingt das nicht immer, zumal viele ihrer Funktionäre zuvor klar rechtsextremen Organisationen angehörten. Die Spitzenkräfte der AfD hingegen haben eine solche Historie meist nicht, und das macht es deutlich schwieriger, sie zuzuordnen.

Verunsicherte Journalisten

Unter Journalisten gibt es schon viel Unsicherheit darüber, wie man mit offen Rechtsextremen umgehen soll. Noch größer ist die Orientierungslosigkeit, wenn es um die erwähnte Kulturalisierung des Rechtspopulismus geht. Die AfD ist die Spitze dieser fast schon an Unprofessionalität grenzenden Hilflosigkeit: Medienvertreter, die eigentlich kenntnisreich Orientierung vermitteln sollen, haben selbst den inneren, professionellen Kompass zur Einordnung des überraschend erfolgreichen AfD-Modells (noch) nicht gefunden. Entsprechend hilflos und unkritisch treten manche der AfD gegenüber – was im Nachgang der Landtagswahlen besonders deutlich wurde.

Mobilisierungkraft der AfD einfach unterschätzt

Das hatte so lange nur bedingt Auswirkungen, so lange man „nur“ über die Gründungsphase, die Personalstreitigkeiten und die Kritik an der „großen Politik“ berichten musste. Das führt aber spätestens jetzt,  nach dem gelungenen Sprung der AfD in zwei Landesparlamente, zu einer Sprachlosigkeit, die gefährlich ist. In einer Gesellschaft, in der politische Kommunikation nach wie vor über Massenmedien geführt wird, kann ein Phänomen kaum präzise erfasst werden, wenn Journalisten orientierungslos darin herum stochern und keine eigene Position entwickeln. Die Mobilisierungskraft der AfD wurde schlicht unterschätzt.

Erfolgreich in der Opferrolle

Die AfD wiederum fühlt sich von den Medien nicht ernst genommen und schafft es, sich erfolgreich in einer Opferrolle zu präsentieren. Nicht alle Ideen, die die Partei propagiert, sind per se dumm. Und ihre Führungskräfte sind es erst recht nicht, immerhin sind anerkannte Professoren und Unternehmer dabei. Das wirkt auf Wählerinnen und Wähler.

Schelmisch Klischees bedienen

Mit ihren internen Querelen und mit ihrer mangelnden Professionalität in Bezug auf politische Prozesse wirken die AfD'ler auf viele Menschen zuweilen erfrischend. Sie bringen scheinbar „neuen Wind“ in die Politik, sind sozusagen die große Schwester der anarchisch-spaßgetriebenen Piratenpartei. Das Auftreten des oft schelmisch grinsenden AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke bedient dieses Klischee. Genauso wie der von ihm herbeigewunkene Anhänger, der bei Live-Schalten von ARD und ZDF zur Wahlberichterstattung ungehindert von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Plakate in die laufende Kamera halten und so kostenlose Parteienwerbung machen konnte.

Autor*in
Frank Überall
Frank Überall

ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er arbeitet selbst als freier Journalist für WDR und ARD sowie verschiedene Print- und Onlinemedien. An der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln/Berlin) lehrt er Journalismus und Politik.

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