GdP: Die SPD muss sich dem Thema innere Sicherheit stellen
Die GdP beklagt immer mehr Gewalttaten gegen Polizisten in Deutschland. Wie äußert sich diese Gewalt?
Radek (R): Wir erleben täglich 110 Straftaten gegen Polizisten. Nicht, weil sie bei einem Familienstreit zwischen die Fronten geraten, sondern ohne Anlass, etwa bei ganz normalen Personenkontrollen. Es wird gebissen, getreten, es kommt zu schwersten Körperverletzungen. Die Zahlen steigen ständig. Wir brauchen einen Schutzparagrafen, der die Körperverletzung von Polizei und Rettungsdiensten speziell bestraft.
Die SPD sieht einen solchen Extraparagrafen skeptisch.
Schilff (S): Wir verstehen nicht, warum das rot-grüne Rheinland-Pfalz unseren Vorschlag unterstützt, andere SPD-Innenminister aber nicht. Ein spezieller Schutzparagraf für Polizei und Rettungsdienste ist erforderlich.
Worin sehen Sie die Ursachen für die wachsende Gewalt gegenüber Polizisten?
S: Die Polizei wird von einigen als absolutes Hassobjekt gesehen, unabhängig von ihrem Handeln. Es wird immer weniger akzeptiert, dass sie die alleinige Trägerin des Gewaltmonopols ist. Zugleich muss aber erwähnt werden, dass über 80 Prozent der Bevölkerung ihrer Polizei vertrauen.
R: In den letzten Jahren hat die Politik bundesweit fast 16 000 Polizeistellen gestrichen. Zugleich gibt es neue Aufgaben wie Internetkriminalität oder Kinderpornografie. Der Personalabbau bedeutet auch weniger Polizei vor Ort und damit weniger Vertrauen in die Polizei.
Wenig Vertrauen in die Polizei ruft auch die von Jahr zu Jahr steigende Zahl der Wohnungseinbrüche hervor. Was bedeutet das für das Sicherheitsgefühl der Bürger?
S: Es wirkt sich verheerend aus. Ich bin selbst Opfer eines versuchten Einbruchdiebstahls geworden. Es ist ein gewaltsames Eindringen in den persönlichsten Lebensbereich.
Halten Sie höhere Haftstrafen für Wohnungseinbrüche, wie aus der Union gefordert, für sinnvoll?
R: Ich würde mich freuen, wenn die Union, wo sie regiert, mehr Polizeistellen schaffen würde statt nach schärferen Gesetzen zu rufen, die ohnehin niemanden abschrecken. Wir brauchen eine bessere Aufklärung.
S: Und wir brauchen schnellere Strafverfahren. Doch leider fehlt auch der Justiz dafür das nötige Personal.
Polizisten warnen vor „No-Go-Areas“ in Großstadtvierteln, wo kriminelle Clans und Großfamilien herrschten und die Polizei kaum noch Autorität habe. Ist das so?
R: Ja. Die räumliche Konzentration von Großfamilien nichtdeutscher Herkunft fördert die Entstehung von Parallelgesellschaften, welche weder Gesetze noch Polizei respektieren.
NRW-Innenminister Ralf Jäger sagt, noch gebe es keine No-Go-Areas.
S: Wenn er das nicht mitbekommen hat, geben wir ihm gern Unterstützung. Aber nicht nur NRW ist betroffen. Auch anderswo fahren Streifenwagen in bestimmten Gegenden nicht mehr mit zwei Beamten, sondern mit sechs, in der Hauptstadt Berlin mit noch mehr Personal.
NRW will jetzt gegensteuern: mit einer langfristig erhöhten Polizeipräsenz und einem schnelleren Eingreifen auch bei Bagatelldelikten wie Ruhestörungen. Reicht das?
R: Dafür braucht man vor allem mehr Personal. Anfang des Jahres wurden zwei Demonstrationen abgesagt, weil die Polizei nicht genug Personal hatte, um die Versammlungsfreiheit zu schützen. Danach ist man einfach zur Tagesordnung übergegangen.
S: Leider sparen auch SPD-geführte Landesregierungen sowie der Bund weiter bei der Polizei. Das ist verkehrt. Die Bundesregierung muss die im Koalitionsvertrag zugesagten Mittel für die Bereitschaftspolizeien von Bund und Ländern für den Haushalt 2016 einhalten.
Angst vor No-go-Areas haben auch viele Flüchtlinge, die sich in ihren Unterkünften nicht mehr sicher fühlen können.
R: Das ist nicht ein polizeiliches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Helfen würde uns ein Demonstrationsverbot vor Flüchtlingsunterkünften. So etwas gibt es ja vor Privatwohnungen von Politikern. Diesen Schutz sollten sie auch Flüchtlingen zugestehen.
Recht und Ordnung klingt nicht wie ein Thema der Sozialdemokratie. Muss die SPD als Volkspartei dafür sorgen?
R: Ja. Nur sehr Reiche können sich privat Sicherheit kaufen. Die SPD-Wähler können das nicht. Mängel in der inneren Sicherheit betreffen sie täglich und unmittelbar. Die SPD muss hier einen Schritt nach vorn machen.
Ist das vom SPD-Präsidium beschlossene Impulspapier, das diese Fragen thematisiert, ein Schritt nach vorn?
R: Ich denke schon. Impulse kamen ja auch von der GdP. Die SPD muss sich diesem Thema stellen (siehe Seite 6, Red.), innere Sicherheit ist kein Schmuddelthema.
Fehlt den Sozialdemokraten ein Otto Schily in der Innenpolitik?
S: Es fehlen Typen wie er, human aber klar in Entscheidungen. Wichtig ist auch, dass die SPD-Innenminister öfter mit einer Stimme sprechen. Davon würde auch die SPD auf Bundesebene profitieren