Gastkommentar: Warum Investitionen sinnvoller sind als Steuersenkungen
Florian Gaertner/photothek.net
Der Stolz des Finanzministers auf die Haushaltsüberschüsse des Bundes ist unüberhörbar. Er sieht sie als messbaren Erfolg seiner Sparpolitik und gedenkt diesen auszubauen, in dem er den Überschuss für einen zusätzlichen Schuldenabbau nutzt.
Mehr Ausgaben fördern Konjuktur
In diesem Vorgang kommt eine verfehlte Einstellung zur Haushaltspolitik zum Tragen. Es beginnt mit falschem Stolz und endet mit falscher Verwendung. Der Stolz ist falsch, weil das positive Ergebnis nicht aus einer harten Sparpolitik resultiert. Im Gegenteil musste sich der Bundesfinanzminister nicht zuletzt auf Druck der Länder vor dem Hintergrund der mit dem starken Flüchtlingszustrom verbundenen Kosten zu einer eher expansiven Ausgabenpolitik durchringen.
Dies und die höheren Lohn- und Einkommenssteigerungen haben mit der so gekräftigten Binnenkonjunktur die Einnahmen von Bund und Ländern spürbar steigen lassen. Haushaltspolitik muss eben so gestaltet sein, das sie die wirtschaftliche Dynamik stabilitätsgerecht fördert. Dann fließen die Steuereinnahmen reichlich und der Schuldenabbau geschieht wie von selbst.
Mehr Geld für Bildung und Straßen
Was aber heißt dies für die Verwendung der gegenwärtigen Überschüsse? Richtig ist, Deutschland braucht derzeit kein ausgeprägtes Konjunkturprogramm, aber angesichts der noch flauen Weltkonjunktur und der immer noch fundamentalen Unsicherheiten im Euroraum wäre ein leichter Impuls aus konjunktureller Sicht durchaus zu rechtfertigen.
Hinzu kommt vor allem Eines. Die Infrastruktur in Deutschland ist in keinem guten Zustand. Schlechte Verkehrswege, unvollendete Energiewende und herunter gekommene Bildungseinrichtungen sind nur einige Baustellen, die einen erhöhten öffentlichen Investitionsbedarf anzeigen. Richtig ist aber auch, dass keine Entscheidungen getroffen werden sollten, die künftige strukturelle Defizite hervorrufen könnten, wenn man nicht gleichzeitig die Steuern erhöhen will. Schließlich gilt immer noch die Schuldenbremse.
Ja zu öffentlichen Investitionen
Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine klare Prioritätenliste zur Verwendung der Überschüsse im Bundeshaushalt. Am sinnvollsten wäre es, wenn sie für öffentliche Investitionen verwendet würden. Der konjunkturelle Impuls wäre in diesem Fall am stärksten. Jeder Euro aus dem Bundeshaushalt wird je nach Konjunkturlage weitere 50 Cent bis zu einem Euro an privaten Investitionen auslösen.
Diese Verwendung wäre somit auch ein Beitrag, die immer noch schwachen privaten Investitionen zu stimulieren. Wichtiger noch, auf längere Sicht erhöhen diese Investitionen das Wachstumspotenzial und schaffen damit die Voraussetzung für künftigen Wohlstand mit hoher Beschäftigung und hohen Steuereinnahmen.
Eindeutig ungünstiger wäre dagegen die Schuldentilgung. Es wäre der Verzicht auf jeglichen Konjunkturimpuls wie auch auf eine höhere künftige Wachstumsdynamik, also eine eher auf die politische Gegenwart gerichtete Maßnahme.
Nein zu Steuersenkungen
Die schlechteste aller Möglichkeiten wären jedoch Steuersenkungen. Ein konjunktureller Impuls dürfte angesichts des zur Verfügung stehenden Volumens kaum messbar sein. Hinzu kommt, dass dieser Impuls teilweise versickert, weil ein Teil des Geldes, das den privaten Haushalten nunmehr zur Verfügung stünde, für höhere Ersparnisse genutzt wird. In der Regel fließt nur die Hälfte jedes Euros an verzichteten Steuereinnahmen in den Wirtschaftskreislauf zurück. Viel schlimmer wäre noch, dass die Steuersenkungen ja permanent wirken und damit wegen der Einnahmeausfälle künftige Defizite im Bundeshaushalt provozieren. Entweder müssten dann möglicherweise in konjunkturell schwierigen Zeiten die Ausgaben gekürzt oder aber die Steuern erhöht werden.
Man sieht, mit falschem Stolz wird Geld vergeudet.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.