Inland

Gabriel debattiert mit Starökonom Piketty Ursachen sozialer Ungleichheit

In der Veranstaltungsreihe „Wirtschaft für morgen“ hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Freitag einen besonderen Gast geladen: Der französische Bestsellerautor und Ökonom Thomas Piketty stellte seine kritischen Thesen zum Thema Kapitalismus vor.
von Vera Rosigkeit · 7. November 2014
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In den vergangenen Monaten hat Pikettys Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" weltweit für großes Aufsehen gesorgt. Sigmar Gabriel ist überzeugt, dass der immense Erfolg zeige, dass viele Menschen die Thesen des Buches für eine angemessene Beschreibung wachsender Ungleichheit in unserer Gesellschaft halten, die sie am eigenen Leib erfahren. Nicht von ungefähr glaubten laut einer Studie 59 Prozent der Deutschen, dass es in Deutschland nicht gerecht zugehe, erklärte der SPD-Chef am Freitag im Bundeswirtschaftsministerium. Die wachsende Kluft von Vermögen sei seiner Meinung nach auch ein Indiz dafür, wie irregeleitet die Schlussfolgerungen neoliberaler Wirtschaftspolitik vergangener Jahrzehnte waren. Widerlegten sie doch das Versprechen, dass durch den entfesselten Kapitalismus unterm Strich für alle etwas übrig bleibe, so Gabriel.

Wachsende Ungleichheit gefährdet Demokratie

Nun stellt  der Ökonom Piketty die entgegensetzte These auf, dass nämlich eine unkontrollierte Zunahme an Ungleichheit nicht nur die Demokratie, sondern auch die Wirtschaft bedrohe weil sie Wachstum erschwere. Dazu hat der Professor an der Paris School of Economics enorme Datenmengen über die Vermögensentwicklung der letzten 300 Jahre zusammengetragen und in seinem Buch analysiert. Sie dokumentieren wie Kapitalismus die wachsende Ungleichheit in der Welt begünstigt. Besonders gestiegen sei die Vermögenskonzentration in den Industrienationen seit Mitte des 20. Jahrhunderts, betonte Piketty. Und derzeit wachse das Privatvermögen schneller als die Wirtschaft.

Logische Schlussfolgerung daraus: Wohlstand muss deutlich höher besteuert werden und alle Vermögenswerte registriert. Piketty fordert vor allem mehr Transparenz bei Einkommen und Vermögen, sonst würden "immer mehr Menschen von der Globalisierung abgestoßen, weil sie übervorteilt werden". Schließlich sei es wesentlich einfacher, eine hohe Rendite auf den Finanzmärkten zu erzielen, wenn man bereits ein großes Vermögen hat.

Konzerne sparen Milliarden an Steuern

Gabriel stimmte zu. Unternehmen können in Deutschland Milliarden verdienen und suchten sich dann ein Land, wo sie nur ein Prozent Steuern zahlten. Dann verweist er auf die aktuelle Debatte um die Steuerdeals in Luxemburg, die es Großkonzernen auf vermeintlich legalem Wege ermöglichen, Milliarden von Steuern zu sparen. Gabriel: „Es darf nicht sein, dass solche Konzerne solche Gewinne machen können und nichts zur Allgemeinheit in Europa beitragen“. Doch gab der Bundeswirtschaftsminister schon vorab zu Bedenken, dass die Ursache wachsender Ungleichheit nicht in einer Legislaturperiode zu lösen sei und schon gar nicht im deutschen Alleingang.

 

Hinweis: Thomas Piketty war auch Gast des „vorwärts“ bei der Frankfurter Buchmesse 2014. Am „vorwärts“-Stand diksutierte der französische Wirtschaftswissenschaftler mit dem Landesvorsitzenden der hessischen SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel.

Hier das Gespräch als Video:

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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