Inland

Für mehr Gemeinschaft

von Marisa Strobel · 11. September 2012

USA, das große Vorbild, das war einmal. Heute mehren sich die kritischen Stimmen in Europa, gerade in der jüngeren Generation. Und auch Europa hat sich in der Krise für viele auf den Euro reduziert. Doch ist das wirklich so? Wir haben bei jungen Menschen nachgefragt, was ihnen Europa und die USA heute noch bedeuten. Herausgekommen sind drei Sichtweisen und der eine Wunsch nach mehr Zusammenhalt.

Gemeinsame Werte

Bettina Möller (26), Initiative junge Transatlantiker, Stuttgart

Mich stört dieser Antiamerikanismus, der in Deutschland geradezu schick geworden ist. Die USA sind für die Europäer weltweit der wichtigste Partner, sowohl politisch als auch kulturell. Gerade was die europäische Einigung anbelangt, haben wir den USA finanziell und politisch viel zu verdanken. Man sollte zwar kein blinder USA-Fan sein, aber mir fehlt der Versuch, die Denktraditionen des anderen zu verstehen. Dafür setze ich mich auch bei der Initiative junger Transatlantiker ein.

Oft wird vergessen, das die Amerikaner ausgewanderte Europäer sind. Wir mögen uns unterschiedlich entwickelt haben. Was uns aber nach wie vor verbindet, ist der Glaube an Demokratie und Freiheit. Paradoxerweise zeigt sich am Begriff Freiheit aber auch ein wesentlicher Unterschied. Während wir in Europa eher eine gesellschaftliche Freiheit idealisieren, ist in den USA die persönliche Freiheit in wirtschaftliche Freiheit umgeschwungen. Sozialpolitische Gesetze, die bei uns für Fairness stehen, gelten in den USA als Einschränkung individueller Freiheit. Trotzdem überwiegen die Ähnlichkeiten zwischen Europa und USA. Deshalb ist mir der Dialog auf beiden Seiten auch so wichtig. 

Zu wenig Europa-Gefühl

Coco-Christin Hanika (20), Abiturientin, Berlin

Für mich war Europa, war Brüssel, früher einfach nur weit weg. Dass das den meisten in der Bevölkerung auch so geht, sieht man an der geringen Wahlbeteiligung bei den Europa-Wahlen.  Seit ich in der Schule an einem Projekt zu Europa teilgenommen habe, hat die Europäische Union für mich aber eine sehr große Bedeutung. Erst dadurch wurde mir so richtig bewusst, dass Europa viel mehr ist als nur eine Währung. 

Ich finde es beeindruckend, was die Europäische Union alles in der Vergangenheit geleistet hat, wie sie zum Beispiel ehemaligen Diktaturen wie Spanien und Griechenland auf ihrem Weg in die Demokratie geholfen hat. Die Einführung des Euros dagegen sehe ich kritisch. Da sind bei der Einführung der Gemeinschaftswährung einfach zu viele Fehler gemacht worden. Und es sind Länder mit in die Währungsunion aufgenommen worden, die wirtschaftlich noch gar nicht so weit waren. Natürlich verbindet eine gemeinsame Währung. Aber man hätte erst einmal sicherstellen müssen, dass das Gemeinschaftsgefühl auch ohne den Euro erzeugt wird. Die meisten Länderregierungen denken nach wie vor zu national und nicht europaweit. Das muss sich ändern. 

Vielfältig und offen

Martin Chorzempa (22), Fulbright-Stipendiat, Minneapolis (USA)

Seit ich am College einen Kurs zu Europäischer Geschichte besucht habe, bin ich ein regelrechter Europa-Fan. Dass so viele unterschiedliche Kulturen und Sprachen auf einem Raum sind, der kleiner ist als die USA, finde ich faszinierend. Deshalb war ich vor meinem Jahr in Berlin auch schon ein Semester in Frankreich. Ich finde die Leute in Europa sehr offen. Das liegt sicher daran, dass sie im Alltag öfter mit anderen Kulturen und Meinungen in Kontakt kommen, als das zum Beispiel in meiner Heimat Minnesota der Fall ist. Darum finde ich es gut, wenn junge Leute eine Zeit lang ins Ausland gehen. Es fördert das Verständnis für andere.

Die vielen Kulturen können aber auch die Gemeinschaft verkomplizieren. Am Europäischen Gerichtshof war ich einmal zu Gast bei einer Verhandlung, und was ich dort erlebt habe, fand ich sehr bezeichnend: Während der eine Richter französisch und der andere englisch sprach, redeten Angeklagte und Verteidiger auf Finnisch. Es dauerte ewig, bis sich alle Seiten verständigt hatten. Unter solchen Voraussetzungen ist es sicher nicht immer einfach, ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. 

Vorurteile abbauen

Greg Bousamra (21), Austauschstudent, Lexington (USA)

Dadurch, dass viele Amerikaner eine europäische Herkunft haben, ist die Verbindung zwischen beiden Ländern nach wie vor gut. Europa ist uns Amerikanern noch immer vertraut. Umgekehrt hatte ich während meiner Zeit in Deutschland auch nie das Gefühl, nicht willkommen zu sein.
Weil ich mich sehr für interkulturelles Verhalten interessiere, habe ich während meines Auslandsstudiums in Heidelberg an „The other America“ teilgenommen, ein Projekt mit amerikanischen Austauschsstudenten und deutschen Gymnasiasten. Ich wollte wissen, was deutsche Schüler von mir denken und versuchen, negative Stereotype abzubauen. In einem dreitägigen Workshop habe ich deshalb einer Gruppe von Jugendlichen die Bedeutung des Sports in Amerika vorgestellt. Das hat viel Spaß gemacht und ich habe dabei auch viel über den Sport in Deutschland gelernt. Außerdem habe ich festgestellt, dass nicht jeder alle Amerikaner für böse, fett und dumm hält, wie man mir vorher sagte. Ich wünschte, so ein Projekt gäbe es auch in den USA. Außerdem sollten mehr Leute Erfahrungen im Ausland sammeln. Dann hätten alle ein besseres Verständnis für andere Kulturen. Doch gerade junge Amerikaner trauen sich noch zu selten.

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Autor*in
Marisa Strobel

ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.

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