Inland

Freiberufler-Marktplatz für Europa

Die Vermittlung von Arbeit über digitale Plattformen entwickelt sich. Jobs finden im Netz – wie das funktioniert, erzählt Thomas Jajeh, der 2009 die Plattform twago gegründet hat und die Freiberufler und Kunden in Europa zusammen bringt.
von Susanne Dohrn · 4. Mai 2015
Thomas Jajeh
Thomas Jajeh

Herr Jajeh, wie kam es zur Gründung von twago?

Die Veränderungen in der Arbeitswelt und Markt der Freiberufler sind super spannend. Wir wussten, dass so eine Plattform die Welt bereichern wird, weil der Markt sich gigantisch entwickelt.

Gab es Vorbilder?

Natürlich in den USA. Aber während jeder Amerikaner und auch jeder Australier mit quasi jedem Menschen der Welt in seiner Muttersprache kommunizieren kann, passiert in Europa viel mehr lokal-lokal, schon wegen der verschiedenen Sprachen und weil die Arbeitskulturen sich stark unterscheiden. Also haben wir einen Freiberufler-Marktplatz für Europa geschaffen. Unsere Plattform existiert in sechs Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und neuerdings Niederländisch. Wer twago.fr eingibt, kommt auf eine französische Seite und kann auf Französisch kommunizieren.

Nehmen wir an, jemand braucht ein Logo für eine neue Website. Wie bekommt er das?

Er schreibt das Projekt bei uns aus. Das ist kostenlos. Im Feld Budget kann er eintragen, was er ausgeben will. Unser Matching-Algorithmus stellt fest, welche Freiberufler passen würden und benachrichtigt diese automatisch. Die Freiberufler schicken Arbeitsproben und schreiben, für welchen Preis sie den Job machen wollen, 300 Euro, 400 Euro, eine Agentur will vielleicht 1000 Euro und ein Student nur 50. Wenn jemand dabei ist, mit dem der- oder diejenige arbeiten will, wählt man ihn aus und klickt einen Button. Im Hintergrund erstellt sich eine Rechnung. Die Summe wird an einen Treuhandservice überwiesen. So kann der Freiberufler sicher sein, dass er das Geld bekommt, wenn er die Arbeit geleistet hat und gleichzeitig ist der Kunde sicher, dass er keine Vorkasse für etwas leisten muss was er am Ende nicht bekommt. Von der Summe zahlt er eine Gebühr von 10 Prozent an uns.

Gibt es oft Streit über die Arbeitsleistung?

Denkt man, ist aber nicht so. Weniger als 1 Prozent der Fälle, die über das Treuhandkonto abgewickelt werden, enden im Streit. Meist kann unser Support-Team vermitteln und einen Vorschlag zur Güte machen. Nur drei Fälle sind vor Gericht gelandet, bei tausenden Projekten jeden Monat.

Können Kunden kann nach dem Preis auswählen?

Ja, für den Kunden stellen wir Transparenz her. Wenn eine Agentur für einen Job 150 Euro die Stunde verlangt, ein Programmierer in Sachsen es aber für 50 oder 60 Euro machen will, dann soll der Kunde die Möglichkeit haben, das zu erfahren. Ich verstehe nicht, warum man Preise künstlich hochhalten soll, wenn es Leute gibt, die einen Job gerne für weniger machen würden...

...weil das eine Spirale nach unten auslöst.

Das glaube ich nicht. Die Agentur in Berlin weiß nicht, für welchen Preis der Programmierer in Sachsen anbietet. Und die Frage ist doch, welcher Preis ist fair. Nehmen wir doch mal die Sicht des Kunden an. Warum soll er mehr für eine Leistung bezahlen als nötig. Ich denke nicht, dass man Transparenz mit Lohndumping gleich setzen darf. Das unterbieten und die von Ihnen angesprochene Abwärtsspirale würde sicher eintreten, wenn wir die Preise sichtbar machen würden. Aber genau deswegen machen wir das ja eben nicht. Jeder soll für sich überlegen was für seine Situation ein fairer Preis, den muss er auch anbieten um konkurrenzfähig zu sein. Ich denke so können faire Preise für alle Seiten gefunden werden. Unser Model ist doch eigentlich wie im wirklichen Leben. Wenn Sie ein Haus bauen wollen, lassen Sie sich sicher auch 2-3 Angebote von verschiedenen Firmen für verschiedene Leistungen anbieten. Hier spricht auch keiner von einer Negativspirale.

 

INFO: Lesen Sie hierzu auch das Interview mit Nadine Müller von ver.di über Crowdworking: Das Ziel heißt Kosten senken und Renditen erhöhen

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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