Noch im Koalitionsvertrag von Union und SPD wurde die Anfertigung eines Berichtes zur Gleichstellung von Frauen und Männern beschlossen. Die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) übergab den Auftrag einer Expertenkommission. Uta Meier-Gräwe und Margarete Schuler-Harms, Mitglieder dieser Kommission, stellten das Gutachten gestern in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin vor und diskutierten die Ergebnisse.
Eine neue Perspektive
Die Sachverständigen sollten Handlungsempfehlungen für eine "Gleichstellungspolitik in der Lebenslaufperspektive" entwickeln. Warum diese neue Perspektive so wichtig ist verdeutlicht Meier-Gräwe am Beispiel des "Gender Pay Gap", des Lohnunterschieds zwischen Frauen und Männern. Dem Statistischen Bundesamt zufolge, lag dieser im Jahr 2008 mit 23,3 Prozent in Deutschland deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 18 Prozent. Aus der Lebenslaufperspektive ergebe sich für den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männer mit 42 Prozent ein noch wesentlich prekärerer Wert, so Meier-Gräwe.
"Es gibt noch viel zu tun, packen wir es an!"
Christel Humme (SPD), MdB und stellv. Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, begrüßt die scharfe Kritik des Gutachtens. Deutschland sei das
Land mit den "konservativsten Rollenbildern". Ehepaare würden mit dem Ehegattensplitting und der Ehegattenmitversicherung immer noch wie eine Person behandelt. Humme teilt die Forderung der
Kommission, das Minijobmodell abzuschaffen. 76 Prozent dieser Jobs würden von verheirateten Hausfrauen ausgeführt, denen ein Widereinstieg in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oft
verwehrt bliebe, so Meier-Gräwe.
Die Kommission fordert die in Europa verbreitete Individualbesteuerung anstelle des deutschen Ehegattensplittings. Sie plädiert außerdem für eine eigenständige soziale Sicherung. Über die Ehe versichert zu sein hieße im Grunde nicht versichert zu sein, so Schuler-Harms.
Zur Herstellung einer Entgeltgleichheit sollen geschlechtergerechte Arbeitsbewertungsverfahren in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen eingesetzt werden. Die Einrichtungen müssten gezwungen werden, Ungleichheiten abzubauen.
"Als ersten Schritt", verlangte Anke Domscheit-Berg, Managerin im European Womens Management Developement Network, ein Transparenzgesetz, dass die Unternehmen zunächst über etwaige Ungleichheiten aufklären solle.
Eine Kanzlerin, die der Quote eine Abfuhr erteilt
Die Frauenquote, die längst überfällig sei, sorgte ebenfalls für Diskussionsstoff. Es sei umso trauriger, dass ausgerechnet eine Kanzlerin diesem Vorhaben im Wege stünde, stellt das Plenum fest.
Wie unbeliebt die harsche Kritik der eigens eingesetzten Kommission bei der Regierung ist, zeigt auch Frauenministerin Kristina Schröder (CDU), die sich zu dem Gutachten weder äußerte, noch persönlich zur Übergabe an das Familienministerium kam, sich stattdessen von ihrem Staatssekretär vertreten ließ. Zwei Jahre Arbeit für einen knappen Gruß vom Staatssekretär?