Die SPD will die ungleiche Bewertung von Frauenarbeit per Gesetz beenden. Künftig sollen Gehälter auf Diskriminierung hin überprüft werden. Kommen Unternehmen der Prüfpflicht nicht nach, können sie mit einem Bußgeld sanktioniert werden.
Im Entwurf zum Entgeltgleichheitsgesetz formuliert die SPD-Fraktion die Forderung nach gleichem Lohn bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Wo genau liegt der Unterschied?
Dass Frauen für gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn erhalten müssen wie Männer, ist ja unstrittig und einfach nachzuvollziehen. Etwas komplizierter wird es beim Vergleich von zwei unterschiedlichen Berufen, die aber durchaus gleiche Tätigkeitsmerkmale aufweisen. Da haben wir zum Beispiel die Altenpflegerin und den KFZ-Mechaniker. Beide haben bestimmte Tätigkeiten zu erfüllen, beide leisten körperlich schwere Arbeit. Doch bei der Altenpflegerin schlägt die körperliche Arbeit auf dem Gehaltszettel gar nicht zu Buche, beim KFZ-Mechaniker sehr wohl. Ich bezweifle, dass ein PKW-Reifen schwerer ist als ein 80-jähriger Mann im Pflegeheim. In solchen Fällen liegt mittelbare Diskriminierung vor.
Die entscheidende Frage ist daher: Wie bewerten wir eigentlich? Bewerten wir gerecht? Und müssen nicht vor allem die klassischen Frauenberufe – darunter viele Fürsorgeberufe – neu bewertet werden? Es leuchtet doch überhaupt nicht ein, dass bei einer Erzieherin die psychische Belastung kaum Niederschlag in der Bewertung ihrer Arbeit findet.
Wie lässt sich unterschiedliche Arbeit vergleichen?
Wir können verschiedene Anforderungsprofile vergleichen. Gerade in von Frauen dominierten Berufen fallen bestimmte Tätigkeitsmerkmale einfach hinten runter. Wir wissen ja, dass die Arbeit am Menschen schlechter bewertet wird als die Arbeit an einer Maschine – nicht zuletzt, weil es sich hier um so genannte Frauen- und Männerberufe handelt. Deshalb muss man genauer hinsehen: Wie wird eingruppiert, welche Anforderungsprofile werden verlangt und werden diese mit einer angemessenen Punktzahl bewertet.
Um die Ungleichbehandlung zu überprüfen, hat die Hans-Böckler-Stiftung einen Entgeltgleichheits-Check entwickelt. Was halten Sie von diesem Messverfahren?
Es gibt verschiedene Verfahren. Das Schweizer Modell Logib-D können Sie auf der Homepage des Familien- und Frauenministeriums herunterladen. Es bietet zwar die Möglichkeit zu vergleichen, doch die mittelbare Diskriminierung lässt sich mit diesem Instrument nicht messen. Da ist der Entgeltgleichheits-Check (eg-check) fortschrittlicher: Mit diesem Verfahren kann sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Diskriminierung aufgedeckt werden. Der eg-check ist ein analytisches Verfahren, das feststellt, welche Anforderungen für eine bestimmte Tätigkeit erforderlich sind und wie sie bewertet werden.
Wie kann ich mir die Umsetzung des Gesetzes in die Praxis vorstellen?
Ganz am Anfang des Prozesses steht die Transparenz, d. h. Gehaltsstrukturen müssen – selbstverständlich anonymisiert – offen gelegt werden. Denn nur wenn ich weiß, ob der eine oder andere in vergleichbarer Tätigkeit weniger verdient, kann ich Verdachtsmomenten nachgehen.
Wir wollen mit unserem Gesetz einen Prozess einleiten, an dem alle beteiligt sind: Der Betriebsrat, die Geschäftsführung und die Gleichstellungsbeauftragte, wenn es sie gibt, sollen ungerechtfertigten Gehaltsunterschieden im Betrieb auf den Grund gehen. Bei Diskriminierung müssen sie entscheiden, wie diese abgestellt werden kann. Das ist der Charme des Gesetzes: Die Betriebe machen sich selbst auf den Weg, für gerechte Entlohnung zu sorgen. Sie allein haben es in der Hand, können sich aber auch nicht vor dieser Verantwortung wegducken.
Sind im Gesetz Sanktionen für Unternehmen vorgesehen, die sich diesem Bewusstseinsprozess verschließen oder bleibt es bei freiwilligen Vereinbarungen?
Wir haben ja gelernt: Freiwillige Vereinbarungen haben uns in den vergangenen Jahren nichts gebracht. Die durchschnittliche Entgeltlücke in Deutschland beträgt nach wie vor blamable 22 Prozent. Unsere Geduld ist am Ende. Bedauerlicherweise müssen die Betriebe zu ihrem Glück gezwungen werden. Nach unserem Gesetz veröffentlicht die Antidiskriminierungsstelle die Namen der Unternehmen, die der Prüfpflicht nachgekommen sind und welche, die das nicht tun. Und wer sich weigert, kann von der Antidiskriminierungsstelle mit Bußgeldern bis zu 500000 Euro belegt werden. Das hängt unter anderem von der Größe des Betriebs ab.
Am Freitag wird der Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung im Bundestag diskutiert. Wie sind die Aussichten auf Erfolg?
Die FDP ist sowieso ganz im Sinne ihrer Stammklientel gegen gesetzliche Regelungen. Die Union hat sich in der Anhörung vor ein paar Wochen mit dem Gesetz nicht einmal auseinandergesetzt. Im Übrigen hat der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Ist denn geplant eine Bundesratsinitiative zu starten, wenn es abgelehnt wird?
Das wäre sicherlich eine gute Idee.
Christel Humme ist Sprecherin der Arbeitsgruppe Gleichstellungspolitik in der SPD-Bundestagsfraktion.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.