Inland

Frankreichs PS ringt um Kompetenznachweis

von Lutz Hermann · 24. August 2011
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Eine europäisch anerkannte, international bedeutende Ratingagentur, ein neues Rollenverständnis der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie ein deutsch-französisches Finanzministerium, das sind einige Kernpunkte der neuesten Projekte der Parti Socialiste (PS).

Die PS-Vorsitzende Martine Aubry ist dabei, die europapolitischen Vorstellungen ihrer Partei zu schärfer. Zunächst übernimmt sie eine Initiative des früheren sozialistischen Präsidenten Francois Mitterrand von 1988: Einen Offenen Brief an alle Franzosen auf acht Seiten in Millionenauflage, um die Pläne der Partei vorzustellen. Vor allem soll mit dem Vorurteil vieler Franzosen aufgeräumt werden, die Linke sei zur Verwaltung von Finanzen und Wirtschaft nicht kompetent genug.

Kein Bock auf zweite Geige

Eine Meinungsumfrage des Instituts Viavoici muss die PS indessen nachdenklich stimmen: 62 Prozent der Befragten erklärten, die Sozialisten würden die internationale Krise nicht besser meistern können als die Konservativen. Nun arbeitet Martine Aubry die Trümpfe Frankreichs heraus. Da ihre Heimat ihrer Meinung nach aber die gleichen Chancen habe wie das Partner- und Konkurrenzland Deutschland, bestehe kein Anlass, in Europa die zweite Geige zu spielen und an der nationalen ökonomischen Leistung und Kraft zu zweifeln.

Für eine Schuldenbremse, die in der französischen Verfassung verankert würde, kann sich Aubry derzeit nicht begeistern. Allenfalls sollte sie nach der Präsidentschaftswahl im Mai 2012 eingerichtet werden. Ihr parteiinterner Rivale, Ex-Vorsitzender Francois Hollande, schlägt stattdessen ein Rahmengesetz mit europäischen Zielen zum Schuldenabbau vor. Wachstum, Haushaltskürzungen und eine Steuerreform seien für ihn in der Wahlkampagne drei Hauptpunkte.

Sarkozy auf deutschem Kurs

Die französischen Sozialisten treten für Euro-Bonds ein. Sie müssten die enormen Zinsunterschiede durch gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder einebnen. Die konservative Regierung von Premierminister Francois Fillon in Paris war bisher dagegen, aber nach den letzten deutsch-französischen Gesprächen in Paris schwenkt Nicolas Sarkozy auf den Kurs der deutschen Kanzlerin ein.

Die sozialistische Partei hat die Idee eines deutsch-französischen Finanzministeriums oder Rates zur Steuerung der Wirtschaftspolitik in beiden Staaten ins Spiel gebracht. Eine auf Paris und Berlin konzentrierte Zusammenarbeit werde auch für EU-Mitglieder als Beispiel und Motor effektiv sein, heißt es bei der PS.

Wirtschaftsminister Francois Baroin weiß zu gut, dass sein Land bereits seit mehreren Jahren versäumt hat, die selbst gesteckten Ziele zur Reduzierung seiner Staatsschulden zu erreichen. Die Neuverschuldung liegt in diesem Jahr bei geschätzten 5,7 Prozent. Sie soll 2012 auf 4,6 Prozent herabgesenkt werden, 2013 auf 3 Prozent. Der Internationale Währungsfonds hat Sarkozy nachdrücklich zum drastischen Sparen aufgefordert, um nicht die Ratingbestnote von AAA+ zu verlieren.

Steuernischen-Schließung bringen 50 Milliarden

Weiter setzen sich die Sozialisten für eine Finanztransaktionssteuer in Höhe von 0,05 Prozent ein. Mit Blick auf Deutschland sollen unter einer sozialistischen Regierung nahezu 500 Steuernischen und -vergünstigungen abgeschafft werden, was den Staat über 50 Milliarden Euro einbringen würde. Ob ein überraschendes Angebot schwerreicher Unternehmer, freiwillig und mit großer Geste mehr Steuern zu zahlen, zum Abtragen des Schuldenberges taugt, darf bezweifelt werden. Gerade war die Bereitschaft der Vermögenden bekanntgeworden, zogen auch schon einige französische Megareiche ihr Hilfsangebot an Nicolas Sarkozy zurück. Eine Reichensteuer wird schon deshalb nicht drückend ausfallen, weil die Mehrheit der Superbegüterten zugleich Stammwähler des konservativen Staatschefs sind.

Martine Aubry hat den EU-Ehrgeiz ihrer Partei so bezeichnet: Europa darf nicht mehr länger von Märkten und Ratingagenturen, sondern muss von Menschen und ihren Zukunftsprojekten regiert werden. Auf Klausurtagungen, Kundgebungen und Wahlveranstaltungen soll jetzt das Programm, acht Monate vor der Präsidentschaftswahl, vorgestellt werden - mit dem Brief an alle Franzosen" nach dem Vorbild von Francois Mitterrand (1981-1996).

Autor*in
Lutz Hermann

ist Auslandskorrespondent in Frankreich für verschiedene Tageszeitungen und Autor mehrerer politischer Bücher, u. a. „Willy Brandt – ein politisches Porträt“ (1969).

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