Inland

Fragen und Antworten zur „eingebildeten Corona-Diktatur“

Bundestag und Bundesrat haben am Mittwoch Änderungen am Infektionsschutzgesetz beschlossen. Corona-Skeptiker*innen und Querdenker*innen haben dagegen mit dramatischen Warnungen mobilisiert, die wir hier einordnen.
von Christian Rath · 18. November 2020
Der Bundestag hat heute ein neues Infektionsschutzgesetz beschlossen. Eine „Corona-Diktatur“ wird nicht errichtet.
Der Bundestag hat heute ein neues Infektionsschutzgesetz beschlossen. Eine „Corona-Diktatur“ wird nicht errichtet.

Behauptung: Deutschland wird jetzt eine Hygiene-Diktatur

Das ist völlig aus der Luft gegriffen. Demokratie und Rechtsstaat bleiben auch nach dem 18. November voll erhalten. Im Infektionsschutzgesetz wird nur eine präzisere Rechtsgrundlage für die bereits geltenden Corona-Beschränkungen eingeführt. Viele Maßnahmen wurden bisher auf die Generalklausel des Gesetzes gestützt, die „notwendige Schutzmaßnahmen“ erlaubt. Jetzt zählt ein neuer Paragraph 28a die gängigen Maßnahmen ausdrücklich auf: von der Maskenpflicht bis zur Restaurantschließung. Der Staat erhält dadurch also keine neuen Befugnisse.

Behauptung: Das Gesetz ist ein Ermächtigungsgesetz wie 1933

Der Vergleich ist abwegig. 1933 setzte der Reichstag die Verfassung außer Kraft und hob die Gewaltenteilung auf. Die Reichsregierung unter Adolf Hitler konnte nun alle Gesetze selbst beschließen. Zum Zeitpunkt der Abstimmung im Reichstag war ein Teil der Abgeordneten bereits im Gefängnis, die anderen wurden durch bewaffnete SA- und SS-Männer bedroht. Bei der Abstimmung heute werden die Abgeordneten höchstens von den Gegnern des Gesetzes bedroht. Das Infektionsschutzgesetz muss sich auch nach der Neuregelung am Grundgesetz messen lassen.

Behauptung: Das Gesetz setzt die Grundrechte außer Kraft

Nein, die Grundrechte gelten weiter. Kein Grundrecht wird abgeschafft oder außer Kraft gesetzt. Das Gesetz erlaubt aber – wie bisher auch – Eingriffe in Grundrechte. Solche Eingriffe müssen im Rechtsstaat per Gesetz geregelt sein. Das Änderungsgesetz, das heute beschlossen wird, enthält deutlich präzisere Eingriffsermächtigungen als bisher. Eingriffe in die Versammlungs- und Religionsfreiheit werden im neuen Gesetz sogar erschwert. Beschränkungen von Demos und Gottesdiensten sind nur noch zulässig, wenn die Eindämmung der Covid-19-Pandemie sonst „erheblich gefährdet“ wäre.

Behauptung: Sachverständige haben das Gesetz bei einer Anhörung verrissen

Bei einer Anhörung des Bundestags vorige Woche sprachen sich gesundheitspolitische Sachverständige eher für das Gesetz aus, während Juristen teilweise harte Kritik äußerten. Deshalb wurde der Gesetzentwurf in den letzten Tagen noch einmal nachgebessert. Corona-Verordnungen müssen nun begründet und befristet werden. Nach vier Wochen sollen sie grundsätzlich auslaufen oder sie müssen neu beschlossen werden. Die juristische Sachverständige Andrea Kießling (Uni Bochum) twitterte am Dienstag: „Ich begrüße es sehr, dass die Regierung viele der Forderungen der Sachverständigen aufgenommen hat.“

Behauptung: Der Bundestag entmachtet sich selbst

Der Bundestag hatte beim Infektionsschutz noch nie viel zu sagen. Er beschließt das Infektionschutzgesetz und seine Änderungen. Und seit März obliegt ihm auch die Feststellung, ob eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ besteht. Die allermeisten Corona-Eingriffe in Rechte der Bürger beschließen aber weder Bundestag noch Bundesregierung, sondern die Landesregierungen per Verordnung. Daran ändert sich nichts. Da in der Demokratie aber alle wesentlichen Entscheidungen von Parlamenten getroffen werden müssen, sollten die Landtage gegenüber den Landesregierungen gestärkt werden. Der Stuttgarter Landtag hat zum Beispiel im Juli ein Corona-Begleitgesetz beschlossen, wonach Corona-Verordnungen in Baden-Württemberg spätestens nach zwei Monaten die Zustimmung des Landesparlaments brauchen.

Behauptung: Bald kommt die Impfpflicht

Mit der jetzt anstehenden Änderung des Infektionsschutzgesetzes wird keine Impfpflicht eingeführt. Die Corona-Impfungen, die Mitte Dezember beginnen sollen, werden völlig freiwillig sein. In den kommenden Monaten muss die Politik angesichts begrenzter Impfkapazitäten eher entscheiden, welche Gruppen als erste ein Recht auf Impfung haben und welche länger warten müssen. Bisher geht die Politik davon aus, dass ein Impfgrad von 60 Prozent der Bevölkerung genügt, um die Pandemie zu stoppen. Dieser Anteil dürfte auch ohne Impfgegner gut machbar sein – soweit der Impfstoff wirksam und weitgehend nebenwirkungsfrei ist. 

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