Inland

Fortschritt oder Rückfall in deutsche Kleinstaaterei?

von Die Redaktion · 14. März 2006
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Durch eine Entflechtung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern kann zukünftig der Anteil der Bundesgesetze, für die die Zustimmung der Länder bislang nötig war, auf rund 40 Prozent reduziert werden. Langwierige Verhandlungen zwischen Bundesrat und Bundestag können damit in Zukunft vermieden werden. Im Gegenzug erhalten die Länder das Recht, von Bundesgesetzen abzuweichen, die in die Verwaltungen der Länder eingreifen.

Aber: Die Reform sieht auch eine Neuverteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern vor. So verliert der Bund seinen Einfluss in der Bildungs- Hochschul- und Umweltpolitik.

"Was jetzt als Gesetzentwurf vorliegt, zementiert ungleiche Bildungs- und Lebenschancen über Jahrzehnte und schadet dem Innovationsstandort

Deutschland," erklärt die Vorsitzende des Bildungs- und Forschungsausschusses, Ulla Burchardt. Für "grob fahrlässig" hält sie es, auf den Pisa-Skandal "mit der deutschen Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts zu antworten." Das Netzwerk Berlin beklagt in einem Positionspapier, dass durch die Föderalismusreform eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildungspolitik selbst dann ausgeschlossen werden könnte, wenn alle Beteiligten sich im konkreten Fall einig sind. Der SPD-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, hält das Vorhaben vor dem Hintergrund der Etablierung eines europäischen Bildungs- und Hochschulraums für "geradezu anachronistisch."

Auch der Strafvollzug soll in die ausschließliche Länderhoheit übergehen. Schwere Bedenken äußert hierzu der Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen. "16 Strafvollzugsgesetze und - je nach Profilierung zuständiger Minister - einen Wettlauf um den härtesten und billigsten Knast", so könnte nach Meinung des Vorsitzenden Harald Baumann-Hasske die Zukunft des Strafvollzugs aussehen. Die Forderung der AsJ ist eindeutig: Eine Kompetenzverlagerung beim Strafvollzug ist nicht zu verantworten. "Die Kompetenz für Strafvollzug muss beim Bund bleiben."

Vera Rosigkeit

Meinungen zum Thema:

SPD-Bundestagsfraktion: Reform der bundesstaatlichen Ordnung

Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Peter Struck, in der Debatte zur 1. Lesung der Föderalismusreform am 10. März 2006

Jörg Tauss: Sachliche Beratung zur Föderalismusreform statt Oppositions-Hick-Hack

Hubertus Heil: Föderalismusreform-Debatte zulassen

Ulla Burchardt: "Föderalismuspaket schadet der Innovationsfähigkeit Deutschlands!"

Netzwerk Berlin: Pressemitteilung zum Thema Föderalismusreform vom 24.02.2006

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