Inland

Forsa: Nicht-Wähler möchten gerne wählen

von Sarah Schönewolf · 18. Juni 2013

Die Zahl der Nicht-Wähler in Deutschland steigt. Aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik verweigern vor allem "Unterprivilegierte" ihre Stimme, so das Ergebnis einer aktuellen forsa-Umfrage.

„Dramatisch“ nennt Kurt Beck, der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), den 18 prozentigen Anstieg der Nichtwähler in den letzten 20 Jahren. Die FES hatte die Studie zu den Gründen für die Wahlenthaltung in Auftrag gegeben, denn die Gruppe der Nichtwählerinnen und Nichtwählern wächst. Nach der am Montagnachmittag veröffentlichten Studie des Instituts forsa gehen nur noch in Portugal weniger Menschen zur Wahl als in Deutschland. 18, 1 Millionen Menschen, rund 29 Prozent der Wahlberechtigten, haben bei der letzten Bundestagswahl 2009 ihr Wahlrecht nicht genutzt.

Noch mehr sind es bei lokalen Wahlen: So blieben über 50 Prozent bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein im Mai 2013 zuhause. An der geringen Wahlbeteiligung ist nicht das Wetter schuld. Die forsa-Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass es vor allem die Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik ist, der mit der Nicht-Wahl Ausdruck verliehen wird. Aus Unmut über Politiker blieben 33 Prozent der telefonisch befragten 3.501 Nicht-Wähler der Wahlurne fern.

Politisch interessierte Nicht-Wähler

Dabei verzichten die meisten der Studienteilnehmer nur vorübergehend, bei einzelnen Wahlen, auf ihr Stimmrecht. Die sporadischen Nicht-Wähler stellen mit 46 Prozent die größten Gruppe der Befragten. Als „Wähler auf Urlaub“ bezeichnete der  Studienautor Manfred Güllner diese Nichtwählergruppe, die sich nur an einer der letzten vier Bundestagswahlen nicht beteiligt hat. Diese Gruppe ist durchaus politisch stark interessiert (61 Prozent der Befragten) und glaubt auch, mit ihrer Stimme „etwas“ Einfluss nehmen zu können. „Sie möchten eigentlich wählen, bleiben aber aus politischen Gründen zuhause“, so Güllner.

Dauerhaft der Wahlurne fern bleiben hingegen vor allem Menschen mit geringerem Einkommen und geringerer Schulbildung. Arbeiter, Menschen mit Haupt- und Realschulabschluss und Menschen mit einem Haushaltseinkommen unter 1.000 Euro gaben bei den letzten vier Bundestagswahlen überdurchschnittlich häufig keine Stimme ab. Rund 14 Prozent der Befragten gehören zur Gruppe der Dauer-Nichtwähler. Es „besteht die Gefahr, dass sich die unteren sozialen Schichten zunehmend ausgegrenzt fühlen von den politischen Entscheidungsprozessen, die in immer stärkerem Maße die Interessen der eher privilegierten Schichten der Bevölkerung berücksichtigen“, warnt die Studie.

Demokratie-Unzufriedenheit steigt

Gerade bei den dauerhaften Nicht-Wählern sinkt die Zustimmung zur Idee der Demokratie und dem demokratischen System. Mit der im Grundgesetz festgelegten Demokratie zeigten sich 39 Prozent der befragten Dauer-Nichtwähler nicht zufrieden. 19 Prozent von ihnen können der Umfrage nach sogar als „Anti-Demokraten“ bezeichnet werden. „Wenn man sich daran gewöhnt hat ,nicht wählen zu können, wird man auch undemokratischer“, so der Autor.

Für die Legitimierung von Politik sei eine hohe Wahlbeteiligung unverzichtbar, darin sind sich der ehemalige SPD-Vorsitzende Beck und Studienautor Güllner einig. „Es darf in der Demokratie nicht Zukunft sein, das ein Teil der Bevölkerung nicht zur Wahl geht. Wir wollen alle gesellschaftlichen Gruppen mitnehmen“, sagte Beck.

Was die Wähler wieder zur Wahlurne bewegen könne, hat die Studie daher auch gefragt. Eine Politik, die sich kümmert und wieder ein „Ohr für die wirklichen Sorgen und Nöten der Menschen“ hat, gaben die meisten der befragten Nicht-Wähler an.

Die vollständige Studie stellt die FES zum Download zur Verfügung.

Autor*in
Sarah Schönewolf
Sarah Schönewolf

ist Diplom-Politologin und Redakteurin des vorwärts.

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