Inland

Flüchtlingspolitik: Kein Bleiberecht für Antidemokraten, Rassisten und Frauenfeinde

Berlins früherer Innensenator Ehrhart Körting (SPD) fordert ein Umdenken in der Integrationspolitik: Die Einbürgerung solle vom „glaubhaften Bekenntnis“ des Antragstellers zu unseren Werten abhängig sein. Bereits die Genfer Flüchtlingskonvention schreibe Migranten vor, die Gesetze des Aufnahmelandes zu achten.
von Ehrhart Körting · 20. Juli 2018
Erdogan-Anhänger in Köln
Erdogan-Anhänger in Köln

Viele Jahre hat die Bundesrepublik Deutschland Zuwanderer aus europäischen Ländern, der ehemaligen Sowjetunion, der Türkei, Palästina und dem Nahen Osten mit Erfolg integriert. Das Integrationsmodell bestand darin, Zuwanderern deutsche Sprachkenntnisse zu vermitteln, dazu ein Orientierungskurs über das Grundgesetz, und Arbeit, Wohnung, schulische Versorgung. Im übrigen ist die Integration in unsere Lebensverhältnisse, in unsere Lebenskultur weitgehend durch das Leben bei uns, begleitet durch Initiativen vor Ort oder Migranten-Communities erfolgt.

Integrationsdefizite nicht zudecken

Selbst bei der hohen Zuwanderung der vergangenen drei Jahre hat dies teilweise erfreulich funktioniert und wir haben viele neue Zuwanderer in Ausbildung oder sogar schon in Arbeit. Aber es zeigen sich, auch schon bei früheren Zuwanderern bis hin zu hier geborenen Kindern, Defizite, die wir nicht zudecken sollten. Deutliche Signale zu Fehlentwicklungen hat es in den letzten Jahren mehrere gegeben.

Das letzte Signal war für mich das Wahlverhalten der in Deutschland lebenden Türken und der Deutschtürken bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei am 24. Juni 2018. 65 Prozent der türkischen Wähler in Deutschland stimmten für Erdogan.  Das wirft ein problematisches Bild auf das Demokratieverständnis dieser Wähler. Besonders bedenklich ist, dass die Wahlunterstützung für Erdogan auch für diejenigen mit doppelter, nämlich deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit, zutrifft.

Antisemitismus und Homophobie zugewanderter Muslime

Ein zweites Signal war der antisemitische Angriff vor einigen Wochen auf einen Kippa-Träger in Berlin. Der Antisemitismus ist bei einem großen Teil der muslimischen Bevölkerung aus der Türkei, dem Nahen Osten, sowie Afghanistan und Pakistan verbreitet. Es ist nicht schönzureden, dass neben dem Antisemitismus, der bei uns ohnehin im rechten Rand bis in die Mitte unserer Gesellschaft verbreitet ist, durch die Zuwanderung das antisemitische Potential noch einmal deutlich gewachsen ist. Die Intoleranzprobleme tauchen auch nicht nur beim Antisemitismus auf, sondern ebenso bei homophoben Vorurteilen der Zuwanderer. Zudem gibt es innerhalb der Zuwanderergruppen genauso wie innerhalb der Bevölkerung rassistische Verhaltensweisen gegenüber Zuwanderern aus afrikanischen Ländern.

Das dritte Signal hat sich bei den Übergriffen gegen die sexuelle Selbstbestimmung in der Silvesternacht in Köln gezeigt. Sie sind kein Einzelfall geblieben. So weist die Polizeiliche Kriminalstatistik für Berlin 2016 allein für Zugewanderte 141 Fälle von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aus. Die Zahl ist auf 194 Fälle im Jahr 2017 gestiegen, sicher auch aufgrund des neuen Straftatbestands der sexuellen Belästigung. Bedenklich ist das hinter den Straftaten stehende Frauenbild vieler Zuwanderer. Und das gilt nicht nur für die neuen Zuwanderer, sondern auch für frühere Zuwanderer, von denen große Teile nicht bereit sind, die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu akzeptieren.

Sprachkompetenz reicht nicht aus

Alle drei Signale zeigen, dass Integrationspolitik noch mehr als bisher auf die Lebenskultur der Zuwanderer achten muss. Die sprachliche und soziale Integration ist wichtig, aber sie reicht nicht aus. Ich habe auch zunehmende  Zweifel, die These, die Sprache sei das Wichtigste und alles andere würde sich dann schon finden, zu unterschreiben. Deutsche Sprache sprechen auch Hoecke, Gauland und Weidel. Ihr Gedankengut ist trotzdem erschreckend. Die Sprache allein reicht offenbar nicht aus, um Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren.

Was tun? Wir sollten die Integrationskurse für Zuwanderer auch in Fragen der Lebenskultur und der Demokratie noch einmal deutlich verstärken. Wir sollten sie grundsätzlich verpflichtend machen. Bisher haben wir Integrationskurse mit 700 Unterrichtsstunden, davon 600 für die deutsche Sprache und 100 Stunden für einen „Orientierungskurs“ für Alltagswissen, sowie von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte Deutschlands. Bloße Unterrichtsstunden mit einem anschließenden Test „Leben in Deutschland“, in dem 15 von 33 Fragen zum Grundgesetz und zu unserer Rechtsordnung richtig beantwortet werden müssen, sind zwar ein erster Schritt, aber reichen nicht aus. Die Antworten kann man auswendig lernen. Damit sind sie aber noch nicht in den Köpfen. Es geht nicht um Wissen, sondern um Einübung, um Leben unserer Werte. Hier sind neue pädagogische Konzepte gefragt. Längerfristige Aufenthaltstitel sollten wir erst nach der erfolgreichen Teilnahme an Integrationskursen erteilen.

Wer Rechte hat, hat auch Pflichten

Eine derartige inhaltliche Bejahung unserer Lebensart, unserer Werte, verstößt auch nicht gegen internationales Recht. Im Gegenteil, die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 schreibt in ihrem Art.2 ausdrücklich vor, dass jeder Flüchtling gegenüber dem aufnehmenden Land, in dem er sich befindet, Pflichten hat, zu denen insbesondere die Verpflichtung gehört, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften zu beachten. Zur Beachtung gehört ein zweifelsfreies Bekenntnis zur Demokratie, zur Gleich-berechtigung und gegen Rassismus. Für Anhänger diktatorischer Regierungsformen, für Rassisten, für Menschen, die Frauen keine Gleichberechtigung zubilligen, gibt es eben keine dauerhaften Bleiberechte in Deutschland, auch nicht nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

Zu unserer Lebensart gehört übrigens auch, dass man zu unserer Gesellschaft Beiträge leistet. Unser Staat vermittelt den Zuwanderern das Gefühl, sie werden hier „versorgt“, auch ohne Gegenleistung. Ich halte viel von den Vorschlägen der dänischen Sozialdemokraten, dass Asylbewerbern nicht nur die Möglichkeit gegeben wird, sondern dass sie verpflichtet werden, Gegenleistungen in Form von gemeinnütziger Arbeit für ihre Unterkunft, Krankenversorgung, Kita- und Schulangebote und für die Asylbewerberzahlungen erbringen müssen. Und das ist mitnichten unsozial. Für soziale Fälle von Kranken, Müttern, die ihre Kinder versorgen müssen, und älteren Nichterwerbstätigen im Rentenalter oder für Auszubildende kann man Lösungen finden. Bei anderen Zuwanderern ist es durchaus „sozial“, dass sie ihren Beitrag zu der Gesellschaft leisten. Unsozial ist es in meinen Augen, die Menschen an Transferleistungen zu gewöhnen.

Konsequenz beginnt in der Schule

Für die bei uns schon Lebenden und für die neuen Zuwanderer benötigen die Schulen zusätzliches Personal und Mittel, um mehr Aktivitäten durch-führen zu können, um Gleichberechtigung, Demokratie und Antirassismus in den Köpfen der Schüler und Schülerinnen zu verankern. Hierfür gibt es viele hervorragende Beispiele gerade in Berlin. Das will ich nicht verkennen. Aber man kann bei den vielen guten Beispielen doch auch nicht übersehen, dass es viele schlechte Beispiele gibt. Zur Verankerung in den Köpfen gehören auch Konsequenzen, wenn Schüler nicht zur Schule erscheinen oder ihre Lehrerinnen beschimpfen und bedrohen oder Schülerinnen am Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten nicht teilnehmen. Bisher lassen wir die Lehrkräfte mit den Problemen weitgehend allein.

Neben  den Schulen sind die Institutionen und Verbände der Zuwanderer wie Kulturvereine, aber auch Moscheen gefordert. Sie müssen ertüchtigt werden. Ihre Arbeit wird nicht nur ehrenamtlich leistbar sein. Der Staat wird Demokratieschulung finanziell unterstützen müssen. Hierzu wird der Staat eine Aufsicht schaffen, die - wie die Schulaufsicht - auch vor Ort prüft, was mit staatlichem Fördergeld geschieht.

Werteprüfung vor Einbürgerung

Schließlich wird man auch im Einbürgerungsrecht das jetzige, mehr formelhafte Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlich demokratischen Grundordnung noch mit einer deutlich inhaltlicheren Prüfung verbinden. Es geht nicht um Gewissensprüfung. Aber ich finde, wir dürfen durch umfangreiche Tests und Prüfungen genauer wissen, ob diejenigen, die unser Land als Staatsbürger und Staatsbürgerinnen aufnimmt, unseren freiheitlich demokratischen Rechtsstaat wirklich wollen. Dazu reicht mir übrigens der Einbürgerungstest zum Nachweis der Kenntnisse über unsere Rechts-und Lebensverhältnisse nicht aus. Mir geht es nicht um eine Begrenzung der Einbürgerung durch unzumutbare Bedingungen. Ich halte die Einbürgerung nach wie vor bei vielen für einen wichtigen Beitrag zur Integration. Ich halte auch nach wie vor das Wahlrecht von Zugewanderten für ein wichtiges demokratisches Recht der Mitbestimmung in der neuen Heimat. Aber ich halte auch dafür, die Einbürgerung zu qualifizieren und sie von einem glaubhaften inhaltlichen Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zu unseren Werten abhängig zu machen.

 

Autor*in
Ehrhart Körting

war 1997-1999 Justizsenator und 2001-2011 Innensenator des Landes Berlin.

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