Flüchtlingsgipfel: Nancy Faeser will Klarheit in der Migrationspolitik
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Mehr als eine Million Ukrainer*innen sind im vergangenen Jahr nach Deutschland geflohen. Auch die Zahl der Asylsuchenden aus anderen Ländern ist zuletzt wieder gestiegen. Die Städte und Landkreise wenden sich mit Hilferufen an die Bundesregierung. Die Versorgung der Geflüchteten werde immer schwieriger, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages Markus Lewe am Montag. „Auch die Notunterkünfte sind vielerorts inzwischen am Limit. Ohne eine schnelle und tatkräftige Unterstützung von Bund und Ländern wird die angemessene Unterbringung der Geflüchteten nicht gelingen.“ Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) berichtet dem Tagesspiegel: „Wir nehmen seit Wochen real kaum noch auf, weil wir nicht mehr können.“ Es gebe Geflüchtete, die seit April in Turnhallen leben.
Flüchtlingsgipfel einberufen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die Nöte der Städte und Gemeinden im Blick. Sie wolle die Kommunen nicht alleinlassen, bekräftigte sie auf einer Migrations-Konferenz der SPD-Bundestagsfraktion am Montag in Berlin. Nötig sei „eine gemeinsame Kraftanstrengung“. Über praktische Hilfe will sie noch im Februar auf einem Flüchtlingsgipfel beraten, zu dem sie Vertreter*innen der Kommunen eingeladen hat. Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (ebenfalls SPD) soll dabei sein, „um zu gucken, ob wir mit Unterkünften sehr praktisch nochmal anders unterstützen können“, wie Faeser sagte.
Wichtig sei, dass Asylverfahren „schnell, fair und rechtssicher sind“. Um die Verfahren zu beschleunigen, hat der Bundestag bereits ein Gesetz beschlossen, das seit Januar in Kraft ist. Es soll die Asyl-Rechtsprechung vereinheitlichen, Prozesse vereinfachen und unnötige Bürokratie abbauen. Zum Beispiel wird die Regelüberprüfung bei Widerrufs- und Rücknahmeverfahren jetzt nur noch anlassbezogen durchgeführt. Dadurch entfielen 15.000 Überprüfungen pro Jahr, rechnete Faeser vor. So würden im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zusätzliche Kapazitäten für die Asylverfahren frei. Außerdem habe die Bundesregierung eine behördenunabhängige Rechtsberatung eingeführt, die sich insbesondere an queere und andere verletzliche Personengruppen richte.
Mehr Klarheit in der Migrationspolitik
Die Innenministerin erklärte auf der Konferenz der SPD-Fraktion auch die Grundzüge ihrer Migrationspolitik. Nötig sei ein Neuanfang, um Deutschland zu modernisieren und alte Blockaden zu lösen. Dazu gehöre es, zu sagen: „Deutschland war und ist ein Einwanderungsland.“ Menschen kämen nicht nur nach Deutschland, um vor Krieg und Verfolgung zu fliehen, sondern auch, um berufliche Perspektive und ein neues Zuhause zu finden, so Faeser.
Der Kern ihrer Einwanderungspolitik sei Klarheit, unterstrich die SPD-Politikerin: „Klare Chancen und klare Regeln“. Menschen, die nach Deutschland kommen, sollten wissen, was sie erwarten können und was von ihnen erwartet werde. Die Ampel-Koalition habe sich das Ziel gesetzt, diesen Menschen von Anfang an Integrations- und Teilhabechancen zu ermöglichen.
Drei große Reformvorhaben
Bereits umgesetzt hat die Koalition das Chancenaufenthaltsrecht. Es soll denjenigen, die seit mehr als fünf Jahren mit Duldung in Deutschland leben, den Weg für ein dauerhaftes Bleiberecht eröffnen. Dazu müssen sie innerhalb einer Frist von 18 Monaten bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zum Beispiel müssen sie Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts nachweisen.
Reformiert werden soll zweitens das Staatsangehörigkeitsrecht. Im März 2023 will Faeser dazu ein Gesetz ins Bundeskabinett bringen. Damit sollen die Hürden für eine Einbürgerung gesenkt werden. Anstatt acht oder mehr Jahre auf eine Möglichkeit warten zu müssen, sollen die Zugewanderten schon nach fünf Jahren eingebürgert werden können. Bei besonderen Integrationsleistungen, etwa ehrenamtlichem Engagement für die Gesellschaft, soll die Frist sogar auf drei Jahre verkürzt werden.
Man müsse Mehrstaatlichkeit akzeptieren, meint Faeser. „Wer Ja zur deutschen Staatsbürgerschaft sagt, sagt auch Ja zur Achtung des deutschen Grundgesetzes, Ja zur Rechtsstaatlichkeit und Ja zur Gleichberechtigung von Mann und Frau.“ Dieses Bekenntnis sei entscheidend und nicht, ob jemand eine oder mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt. Mit der Reform solle zudem die Lebensleistung der sogenannten Gastarbeitergeneration anerkannt werden, die in den 1950er und 60er Jahren ins Land gekommen ist. Weil diese bereits herausragende Leistungen für Deutschland erbracht habe, solle hier auf Einbürgerungstests verzichtet werden, kündigte Faeser an.
Ampel will mehr Fachkräfte ins Land holen
Die dritte große Maßnahme ist ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz. Es soll laut Faeser in den nächsten Wochen schon im Bundeskabinett beschlossen werden. In Deutschland fehle eine Willkommenskultur für Arbeitskräfte, beklagte die Innenministerin. Das sei für die Gesellschaft und die Wirtschaft ein Problem. Faeser verwies auf den Fachkräftemangel etwa in Kitas, Krankenhäusern oder im Handwerk. Mit dem neuen Gesetz will die Regierung Fachkräften schneller einen unbefristeten Aufenthalt gewähren, den Familiennachzug unterstützen und Jobwechsel erleichtern. Wie gut die Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt stehen, soll anhand eines transparenten Punktesystems bewertet werden.
„Zu einer neuen Klarheit in der Migrationspolitik gehört aber auch, deutlich zu sagen: Es gibt Menschen, die nicht hierbleiben können“, betonte Faeser. Das gelte insbesondere für Gefährder*innen und Straftäter*innen, aber auch für Menschen, deren Asylgesuche abgelehnt wurden. Die Regierung wolle daher die Rückführung stärken und weitere Abkommen abschließen, damit die Herkunftsländer die abgelehnten Asylbewerber*innen zurücknehmen. Gleichzeitig wolle sie legale Fluchtwege schaffen für „Menschen, die wirklich an Leib und Leben bedroht werden“, sagte Faeser. So wolle sie vermeiden, dass die Betroffenen gefährliche Fluchtrouten antreten oder Schleuser*innen in die Hände fallen.
„Wir wollen Menschen, die bei uns in Deutschland leben wollen, mit Wertschätzung und Anerkennung begegnen“, fasste Faeser zusammen. „Wer sich gut integriert, bekommt die besten Chancen. Wer sich nicht integriert, bekommt sie aber auch nicht.“
Dieser Text erschein zuerst unter www.demo-online.de
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.