Flüchtlinge in Griechenland: SPD unterstützt „Koalition der Willigen“
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Die SPD sucht nach einem Ausweg auf der Krise an der griechisch-türkischen Grenze. Sie setzt dabei auf eine „Koalition der Willigen“, also Ländern, die Flüchtlinge aufnehmen würden. Nach Aussage des SPD-Bundestagsabgeordneten Helge Lindh haben bereits Frankreich und Portugal ihre Teilnahme offiziell zugesagt, auch andere Nationen würden sich an einem Bündnis beteiligen, um besonders gefährdete Geflüchtete schnellstmöglich zu helfen. „Es geht um eine Akuthilfe“, so Lindh gegenüber dem „vorwärts“. Vor allem minderjährigen Geflüchteten solle so schnellstmöglich geholfen werden.
Das könnte, so Lindh, beispielsweise über ein „Sonderkontingent“ passieren, zu dem sich einzelne Nationen in Europa bereit erklären, sodass über die reguläre Verteilung von Geflüchteten hinaus die Menschen von den griechischen Inseln aufgenommen werden könnten, die derzeit in und um die Zeltstädte herum ausharren. Dabei könne Deutschland eine „tragende Rolle“ spielen, erklärt Lindh die Position der SPD-Bundestagsfraktion. Der Plan werde auch vom SPD-Außenminister Heiko Maas unterstützt, am Mittwoch signalisierte auch CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer Unterstützung für das Vorhaben.
SPD-Länder zur Aufnahme bereit
Innerhalb Deutschlands hatten bereits die SPD-geführten Länder sich bereiterklärt, Kinder und Jugendliche aus den Flüchtlingslagern an der griechischen EU-Grenze aufzunehmen. Doch bevor die Geflüchteten deutschen Boden betreten dürfen, muss der Bundesinnenminister zustimmen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte derweil auch die anderen Bundesländer auf, sich der Haltung der SPD anzuschließen. „Ich wäre sehr dankbar, wenn auch die Länder, die von CDU und Grünen regiert sind, vielleicht sich auch mal zu dieser Maßnahme gemeinsam entschließen könnten.“ Es geht Medienberichten zufolge um rund 5000 unbegleitete, minderjährige Geflüchtete. Gleichzeitig müsse Griechenland alle zusätzlich notwendige Hilfe bei der Bewältigung der Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen gewährt werden, so Mützenich. In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sollen sich insgesamt mehr als 20.000 Menschen aufhalten.
Die Grünen hatten derweil eine namentliche Abstimmung zur Aufnahme von Geflüchteten im Bundestag gefordert, was von der SPD abgelehnt wurde. Daran scheiterte eine gemeinsame Auffassung von Sozialdemokrat*innen und Grünen – was von Mützenich bedauert wurde. Helge Lindh bezeichnet den Antrag der Grünen zur namentlichen Abstimmung als reine „Selbstprofilierung, um die SPD vorzuführen", da es offensichtlich sei, dass es Widerstände beim Koalitionspartner gebe. Deswegen helfe eine solche Abstimmung in der Sache, also der schnellen Hilfe der Geflüchteten, nicht weiter.
Lindh: Hilfe der EU kommt nicht an
„Die Situation vor Ort ist katastrophal“, so Lindh über die Versorgung der Menschen auf den griechischen Inseln. Deswegen müsse jetzt schnell gehandelt werden. Die von der Europäischen Union bereitgestellten Gelder würden bisher in den Flüchtlingslagern nicht ankommen, „jedenfalls unseren Informationen zufolge". Die EU hatte zu Beginn der Woche 700 Millionen Euro Soforthilfe für die griechische Regierung bereitgestellt zur Bewältung der Situation. „Die große europäische Lösung ist derzeit auch absolut unrealistisch", ergänzte Lindh.
Unabhängig von der jetzt notwendigen Unterstützung dürfe aber die Gesamtsituation nicht ausgeblendet werden, meint der Sozialdemokrat mit Blick auf die Unterstützung der Geflüchteten in der Türkei und der Situation in Syrien, konkret in der umkämpften Stadt Idlib. „Wir dürfen in diese Richtung nicht jegliche Hilfe einstellen“, erklärte Lindh mit Verweis auf die Zusammenarbeit mit der Türkei. „Aber generell muss Europa in dieser Situation stärker agieren als bisher.“ Es fehle weiterhin ein europäischer Gesamtansatz in Zusammenarbeit mit der UN-Flüchtlingshilfe, dem UNHCR.
Appelle an den CSU-Innenminister
Auch die SPD-Parteispitze hielt den Druck auf den Koalitionspartner am Mittwoch aufrecht. „Wir erwarten jetzt von Innenminister Seehofer unverzüglich eine Lösung zu finden“, sagte die Parteivorsitzende Saskia Esken. Mit der Zusage der SPD-regierten Bundesländer sei die Aufnahme der unbegleiteten Kinder aus den griechischen Lagern in greifbare Nähe gerückt. Dass sich am Mittwochabend eine schnelle Lösung abzeichnete, darüber zeigte sich auch Parteivize Serpil Midyatli erleichtert. „Unsere Forderungen sind im Grunde erfüllt“, sagte sie mit Blick auf die sich bildende „Koalition der Willigen“.
Doch mit der schnellen Hilfe soll es nicht getan sein: Aus Midyatlis Sicht sind nun Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gefordert, die entscheidenden Gespräche darüber zu führen, wie es nun weitergehen soll. „Wichtig ist, dass auf keinen Fall auf Geflüchtete geschossen werden darf“, sagte Midyatli mit Blick auf die Eskalation in Griechenland in den vergangenen Tagen. Darüber hinaus geht die stellvertretende Parteivorsitzende davon aus, dass das Thema auch den Koalitionsausschuss am Sonntag beschäftigen wird.