Inland

Finanzgericht bescheinigt attac Gemeinnützigkeit

Die Globalisierungskritiker von attac sind wieder gemeinnützig. Das Finanzgericht Kassel korrigierte am Donnerstag eine anderslautende Entscheidung des Finanzamts Frankfurt am Main.
von Christian Rath · 11. November 2016
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Das Attac-Netzwerk setzt sich seit 1998 für gerechten Welthandel und eine globale Steuer auf Finanztransaktionen ein. Attac kämpft gegen Freihandelsabkommen wie TTIP und die Sparpolitik in Europa. Derzeit hat attac knapp 30 000 Mitglieder und rund 165 Regionalgruppen.

Finanzamt wertete politische Kampagnen als nicht gemeinnützig

Jahrelang stuften die Finanzbehörden attac als gemeinnützig ein. Erst 2014 entzog das Finanzamt Frankfurt der Organisation den begehrten Status. Begründung: In den Jahren 2010 bis 2012 habe attac vor allem politische Kampagnen durchgeführt. Der Einsatz für politische Forderungen sei allerdings nicht gemeinnützig.

Zwei Kampagnen stießen besonders auf Kritik. So habe sich attac gegen ein geplantes Sparpaket der Bundesregierung gewandt und statdessen die Einführung einer Vermögensteuer propagiert. Außerdem habe attac gegen eine Übernahme des Textilversands „Hess natur“ durch Finanzinvestoren agitiert. Das sei Tagespolitik, die nichts mit den gemeinnützigen Zwecken „Förderung der Bildung“ und „Förderung des demokratischen Staatswesens“ zu tun habe.

Zusammenarbeit mit Stiftungen wurde erschwert

Seitdem konnten Spenden an den attac-Verein nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden. Da attac das Problem offensiv thematisierte, gingen die Spenden dennoch nicht zurück, sondern stiegen sogar an. „Allerdings hatten wir Probleme bei der Zusammenarbeit mit manchen Stiftungen, die nur gemeinnützige Projekte fördern“, erläuterte Vereinsvorstand Dirk Friedrichs.

Vor dem Finanzgericht Kassel argumentierte attac-Anwalt Till Müller-Heidelberg, jegliche attac-Aktivität diene der politischen Bildung: „Auch die Aufklärung über gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge ist Bildung. Nur wer Alternativen zur herrschenden Politik kennt, kann als kritischer Staatsbürger selbstbewusst entscheiden.“ Der Vertreter des Finanzamts konnte mit dieser Definition von Bildung aber wenig anfangen: „Erst definieren Sie ein politisches Ziel und wenn Sie sich dann dafür einsetzen, nennen Sie das 'Bildung'.“

Richter legen Bildungsbegriff weit aus

Das hessische Finanzgericht folgte jedoch attac und vertrat ebenfalls einen weiten Bildungsbegriff. „Wenn man über ökonomische Grundlagen informiert, gehört dazu, dass man Alternativmodelle vorstellt und auch erläutert, wie sie im Einzelfall funktionieren würden“, sagte der Vorsitzende Richter Helmut Lotzgeselle. Auch der Begriff „Förderung des demokratischen Staatswesens“ sei weit auszulegen. Dazu gehöre auch der Einsatz für den Sozialstaat und für Steuergerechtigkeit. „Nur mit gerechter Verteilung kann die Demokratie funktionieren“, betonte Richter Lotzgeselle.  Das Finanzgericht ließ keine Revision zu.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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