Inland

Feminismus in der DDR: die deutsche Einheit in der Familienpolitik vollenden

Bei der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten prallten auch zwei Frauenbilder aufeinander. 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution ist klar: in Sachen Gleichberechtigung kann der Westen vom Osten noch einiges lernen.
von Tamara Rösch · 13. März 2019

„Die Geschichte des Feminismus in Deutschland wird oft auf Westdeutschland reduziert“, sagt Manuela Schwesig, SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Am Montagabend spricht sie bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum internationalen Frauentag. „30 Jahre nach der friedlichen Revolution – Zeit für ein feministisches Update?“ lautet der Titel. Schwesig ist es ein großes Anliegen zu zeigen, dass Ostfrauen viel zu den Errungenschaften des Feminismus in Deutschland beigetragen haben: „Wenn wir über Feminismus sprechen, können wir nicht nur über Westdeutschland reden, sondern müssen auch die Bewegungen im Osten beachten“, fordert sie.

Gleichberechtigung bei Ostfrauen

Schwesig kommt selbst aus Ostdeutschland. 1974 wurde sie in Brandenburg geboren, in Mecklenburg-Vorpommern stieg sie in die Politik ein. Doch dass es Ostfrauen gab, die kurz vor der Wiedervereinigung Deutschlands bereits eine Arbeitsgruppe für sozialdemokratische Frauen (ASF) in der DDR gründeten, wusste Schwesig bis kurz vor der Veranstaltung nicht: „Es war mir neu. Aber Sie haben die historische Chance genutzt und hatten Erfolg: 1990 nahm die SDP eine Quotierung von 30 Prozent in ihre Statuten auf.“

Aus Sicht von Stefanie Elies von der Friedrich-Ebert-Stiftung haben Frauen in Ostdeutschland einen emanzipatorischen Vorsprung gegenüber den westdeutschen Frauen. Dadurch hätten sich „Vorbilder ökonomisch unabhängiger Frauen entwickelt, die Auswirkungen auf die Lebensrealitäten haben und Vorstellungen von Rollenverteilung und Partnerschaftsverständnis prägen“.

Katja Schittko, Präsidiumsmitglied der SPD Sachsen, gehört zur dritten Generation, die in der DDR groß wurde. Im Hinblick auf ihre Ost-Sozialisation stimmt sie Elies zu: „Der Feminismus, der mir von meiner Mutter und Großmutter vorgelebt wurde, hat mich definiert. Ich wurde zu einer emanzipierten Frau erzogen.“

Gleichstellung für Ostfrauen selbstverständlicher

In der DDR, so Schwesig, sei es kein Problem gewesen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. „Nicht, weil Erich Honecker ein Feminist war. Man brauchte schlicht die Arbeitskräfte“, sagt Schwesig. Dennoch sieht sie in der DDR-Politik einen wichtigen Faktor für die Gleichstellung der Frau: „Eine Frau wurde nicht Rabenmutter genannt, weil sie ihr Kind in die Kita bringt.“ Es war also eine Selbstverständlichkeit, dass es genug Kita-Plätze gab, die auch noch kostenfrei waren, sodass jede Mutter arbeiten gehen konnte.

Schwesig meint, dass ostdeutsche Frauen aus dieser Selbstverständlichkeit heraus weniger von der Gesellschaft schikaniert würden, wenn sie sich dazu entscheiden, Karriere zu machen. Im Westen sehe das anders aus: „Ich wüsste nicht, ob ich ein Spitzenamt in der Politik mit Familie durchstehen könnte, wenn ich mir jeden Tag zu Hause Vorwürfe anhören müsste, so wie es teilweise noch im Westen ist.“ Wenn das eigene soziale Umfeld von Frauen noch in Frage stelle, ob es denn richtig sei, dass sie arbeite und ihre Kinder in die Kita gebe, dann sei der emotionale Druck viel höher. Bei der Wiedervereinigung hätten die Lebensrealitäten der Ostfrauen stärker gewürdigt werden müssen: „Wenn wir die Gleichstellung der Frau viel mehr in die Einheit eingebracht hätten, wären wir heute schon viel weiter“, ist Schwesig überzeugt.

Pläne für die Zukunft

Doch die Ministerpräsidentin weiß auch, dass die Lebensmodelle vor der Friedlichen Revolution weder in Ost noch in West ideal waren. Während die Frau im Westen die Kinderbetreuung übernehmen musste, hatte die Frau im Osten keine Zeit für ihre Familie, sagt sie. „Ich finde es richtig, beide Lebensmodelle zusammenzuführen.“ Aus diesem Ansatz ist die Idee der Familienarbeitszeit entstanden: Beide Elternteile können berufstätig sein, aber gleichzeitig auch ihre Wochenstunden reduzieren, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Dabei könnte der Staat Familien beispielsweise mit einem Familiengeld unterstützen. „Das ist für mich der Weg, um die deutsche Einheit in der Familienpolitik vollenden zu können.“

Autor*in
Tamara Rösch

studiert Sozialwissenschaften und war im Frühjahr 2019 Praktikantin beim vorwärts-Verlag.

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