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FAQ Aktienrente: Was steckt hinter den Plänen von Christian Lindner?

In der Altersvorsorge kündigen sich Neuerungen an: Begriffe wie Aktienrente, Aktienrücklage und Generationenkapital machen die Runde. Was dahintersteckt und was sich ändern soll, erklären wir hier.
von Vera Rosigkeit · 9. Februar 2023
Das Thema Rente ist derzeit auch in Frankreich aktuell. Dort demonstrieren Zehntausende gegen die Pläne, das Renteneintrittsalter von 62 Jahren auf 64 Jahren anzuheben.
Das Thema Rente ist derzeit auch in Frankreich aktuell. Dort demonstrieren Zehntausende gegen die Pläne, das Renteneintrittsalter von 62 Jahren auf 64 Jahren anzuheben.

Was steht im Koalitionsvertrag?
Im Koalitionsvertrag ist zugesagt, dass es weder Rentenkürzungen noch ein Anheben des Renteneintrittsalters geben soll. Um diese Zusagen generationengerecht abzusichern, „werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen“, heißt es dort. Zehn Milliarden Euro sollen den Kapitalstock bilden, der aus Steuermitteln finanziert wird. Die teilweise Kapitaldeckung soll als Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle ver­waltet werden.

Zehn Milliarden Euro aus Krediten des Bundes

Was plant Bundesfinanzminister Christian Lindner?
Christian Lindner nennt sein Vorhaben „Generationenkapital“. Ziel soll sein, die Finanzierung der Rente zu modernisieren und Beitrags- sowie Steuerzahler*innen zu entlasten. Dafür soll der Bund aus öffentlichen Mitteln einen Kapitalstock aufbauen. Aus den zu erwartenden Erträgen sollen ab Mitte der 2030er Jahre die Rentenbeiträge stabilisiert und so die jüngere Generation entlastet werden. Laut Bundesfinanzministerium soll das Generationenkapital „Renditepotenziale der internationalen Kapitalmärkte“ nutzen, „damit die Rentenbeiträge in Zukunft weniger stark steigen – einige europäische Länder praktizieren eine Kapitaldeckung der Rente bereits seit Jahrzehnten erfolgreich.“

Wie hoch ist die Summe und woher kommt das Geld?
Nach aktuellen Plänen des BMF sollen dem Kapitalstock bereits in diesem Jahr zehn Milliarden Euro zugeführt werden, finanziert aus Krediten des Bundes. Über die weitere Finanzierung gibt es bislang seitens des Bundesfinanzministeriums keine klaren Aussagen. „Das Generationenkapital kann durch Zuschüsse, Sacheinlagen oder Darlehen weiter aufgestockt werden“, heißt es dazu im Bericht des BMF.

Beitragszahlende sollen entlastet werden

Wer soll das Vermögen verwalten?
In einem ersten Schritt soll es vom KENFO verwaltet werden, einer öffentlich-rechtlichen Stiftung, die durch Gesetz gegründet wurde, um die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle sicherzustellen. In einem zweiten Schritt soll die öffentlich-rechtliche Stiftung Generationenkapital gegründet werden.

Was soll das Generationenkapital bewirken?
Da in den kommenden Jahren die sogenannten geburtenstarken Jahrgänge das Renteneintrittsalter erreichen, wird davon ausgegangen, dass sich die Einnahmesituation der umlagefinanzierten Rentenversicherung verschlechtern wird. Mögliche Erträge aus dem sogenannten Generationenkapital sollen ab Mitte der 2030er Jahre zwar nicht die Renten erhöhen, aber dafür sorgen, dass die künftigen Beiträge für die Versicherte nicht zu hoch ausfallen. Sie sind als Zuschüsse zur Finanzierung der Rentenversicherung zu verstehen.

Aktienrente, Aktienrücklage, Generationenkapital: Gute oder schlechte Idee?

Gute Renditen sind möglich:
Die Argumente von Befürworter*innen gründen vor allem darauf, dass sich am Kapitalmarkt über einen längeren Zeitraum gute Renditen erzielen lassen.

Kein Abzug bei der Rente:
Da die Mittel zum Aufbau des Kapitalstocks nicht aus den Beiträgen der Versicherten finanziert werden, sondern aus Mitteln des Bundeshaushaltes, ergibt sich für die Versicherten kein Risiko, das tragen Bund und Steuerzahler*innen gemeinsam. Rentner*innen haben keine Nachteile, allerdings auch keine Vorteile, ihre Rente wird bezahlt, unabhängig davon, wie viel oder wenig Gewinn der Fonds erwirtschaftet.

Börse bietet keine Sicherheit

Zehn Milliarden reichen nicht:
Aktuell müsste dieser Fonds einen Gewinn von jährlich 17 Milliarden Euro ausschütten, um den Anstieg des Beitragssatzes um nur einen Prozentpunkt zu verhindern. Dafür müsste der Fonds bei einer guten Rendite von jährlich acht Prozent ein Volumen von rund 212,5 Milliarden Euro haben, so die Berechnung der Redaktion von Finanztip.

Börse bietet keine Sicherheit:
Vor allem Sozialverbände und Gewerkschaften halten dagegen, dass Aktienmärkte keine Gewinn-Garantien bieten. So hat der norwegische Staatsfonds erst kürzlich einen Rekordverlust in Höhe von 152 Milliarden Euro für 2022 eingefahren. Die Präsidentin des Sozialverband Deutschland e.V. (VdK), Verena Bentele, kritisiert zudem den oft als Vorbild zitierten schwedischen Pensionsfonds, weil dieser u.a. in deutsche Pflegeeinrichtungen investiere. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärte sie, dass Gewinne nur dann zu erzielen seien, wenn die Heime entweder ihre Preise erhöhen oder am Personal sparen. „Der Zwang zur Rentabilität wird auf dem breiten Rücken der Bevölkerung ausgetragen“, betont sie und bringt damit einen weiteren Aspekt gegen die Investition öffentlicher Gelder am Aktienmarkt ein. Die Wirtschaftsjournalistin Anja Krüger schreibt in „die tageszeitung“, dass das Scheitern der Riester-Rente gezeigt habe, dass eine Teilprivatisierung der Altersvorsorge eine schlechte Idee sei.

Was sagt die SPD zum geplanten Generationenkapital?

„Das Generationenkapital ist nicht unser Herzensthema“, sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt in einem Beitrag für den vorwärts und erklärt gleichzeitig: „Die Rente bleibt stabil und wird nicht verzockt.“ Denn anders als in der ursprünglichen Idee der FDP werde ausschließlich Geld aus dem Bundeshaushalt angelegt und kein Geld der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler für den Kapitalfonds eingesetzt. Schmidt betont, dass hierbei keine Anlage „in einzelne Firmen, die einem hohen individuellen Risiko unterliegen, stattfinden werden, sondern es sich um eine langfristige, breit-gefächerte und sichere Anlage“ handeln werde. Neben den Rentenbeiträgen und dem Zuschuss des Bundes aus Steuermitteln soll das Generationenkapital ein weiterer Stabilitätsfaktor der gesetzlichen Rente werden. Zehn Milliarden Euro reichten dafür aber nicht aus, so Schmidt. Der Finanzminister müsse nachlegen. Anspruch der SPD bleibe, langfristig dafür zu sorgen, „dass die Rentenbeiträge stabil bleiben und im Idealfall sogar gesenkt werden können“.

Welche Alternative zur Aktienrente gibt es?
Auch hier haben Gewerkschaften und Sozialverbände klare Vorstellungen: Der DGB fordert einen höheren Bundeszuschuss, der aus Steuern finanziert wird. Damit sollen beitragsfremde Leistungen wie beispielsweise die sogenannte „Mütterrente“ finanziert werden. Außerdem wird argumentiert, dass die Folgen einer immer älter werdenden Bevölkerung und der wirtschaftlichen Entwicklung nicht den Rentenversicherten allein aufgebürdet werden dürften. Langfristig fordern Gewerkschaften zudem eine Erwerbstätigenversicherung, in die zunächst Selbstständige einbezogen werden sollen. Renten-Experten sprechen sich ebenfalls dafür aus, „weil die Erwerbstätigenversicherung Ungerechtigkeiten in der Altersvorsorge beseitigen und für mehr Stabilität sorgen“ kann , sagt Florian Blank im vorwärts-Interview. Als weitere Maßnahmen, um die Einnahmeseite der Rentenversicherung zu erhöhen, will der DGB die Tarifbindung stärken und mehr Frauen in Vollzeit bringen.

Wie wird die gesetzliche Rente eigentlich finanziert?
Die gesetzliche Rentenversicherung ist das größte soziale Sicherungssystem und wird durch ein Umlageverfahren finanziert. Die Beiträge der Arbeitnehmer*innen von heute werden als Renten an die derzeitigen Rentner*innen ausgezahlt. Dabei werden die Beiträge zudem paritätisch finanziert: jeweils zur Hälfte von Beitragszahlenden und Arbeitgeber*innen, auch letztere würden demnach von der Stabilsiierung der Rentenbeiträge profitieren. Außerdem fließen Bundeszuschüsse in die gesetzliche Rentenversicherung. Aktuell liegen die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bei 18,6 Prozent. Für das Jahr 2026 wird ein Beitragssatz von 19,3 Prozent prognostiziert. Gleichzeitig wurde mit dem Gesetz über „Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung“ von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil 2021 mit der doppelten Haltelinie auch das Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern) bei 48 Prozent garantiert.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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