Faktencheck: Warum Nancy Faesers Flüchtlingszahlen richtig sind
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Mehr als eine Million Menschen sind im vergangenen Jahr aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Das hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Januar mitgeteilt. Hinzu kamen 244.132 Menschen aus anderen Ländern, die 2022 in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt haben. Ukrainer*innen sind davon aufgrund einer EU-Richtlinie befreit. Die Unterbringung der Geflüchteten stellt die Kommunen in Deutschland vor immer größere Herausforderungen. Am 10. Mai ist deshalb ein Spitzentreffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplant. Die CDU fährt nun schwere Geschütze gegen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf.
Was wirft die CDU Nancy Faeser vor?
In einer parlamentarischen Anfrage wollte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Mathias Middelberg von der Bundesregierung wissen, wieviele Menschen in den ersten drei Monaten 2023 aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind. Der Antwort zufolge betrug die Zahl bis zum 31. März rund 82.000. Nach Angaben des BAMF stellten demgegenüber im ersten Quartal 2023 rund 81.000 Menschen aus anderen Ländern erstmalig in Deutschland einen Asylantrag.
„Der Anteil der Ukraine-Flüchtlinge geht gegenüber dem letzten Jahr drastisch zurück“, sagt Middelberg. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte dagegen in einem Interview Anfang April gesagt: „Acht von zehn Geflüchteten kommen aus der Ukraine. Da kann es keine Höchstgrenzen für Menschlichkeit geben.“ Middelberg wirft Faeser deshalb Täuschung bei der Zahl der aus der Ukraine geflüchteten Menschen vor.
Was ist an den Vorwürfen dran?
Wenn man die Zuzugszahlen von Menschen aus der Ukraine und von Geflüchteten aus anderen Ländern für die ersten drei Monate dieses Jahres gegenüberstellt, stimmt die Aussage von Nancy Faeser nicht. Statt acht von zehn kommt aktuell die Hälfte der Geflüchteten aus der Ukraine. Gerechnet auf das vergangene Jahr aber stehen gut einer Million Geflüchteten aus der Ukraine rund 244.000 Menschen aus anderen Ländern gegenüber, was ziemlich genau dem von Faeser genannten Verhältnis von acht zu zwei (also 80 Prozent) entspricht.
Faeser nannte die Zahl Anfang April auch nicht zum ersten Mal. Bereits Anfang des Jahres teilte das Bundesinnenministerium sie auf Grundlage von Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge offiziell mit. Insofern ist die Frage, auf welchen Zeitraum man sich bezieht, entscheidend: nur auf die ersten drei Monate dieses Jahres oder die Zeit seit Beginn des Kriegs in der Ukraine. Der Vorwurf, Nancy Faeser täusche mit ihrer Darstellung der Zahlen bewusst, entbehrt jedoch jeder Grundlage. Die Vorwürfe der CDU scheinen eher parteitaktisch motiviert zu sein.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.