Inland

Ex-SPD-Chefs für ein Ja zu Koalitionsverhandlungen

Unmittelbar vor dem SPD-Parteitag steigt die Zahl prominenter Unterstützer für Koalitionsverhandlungen: Mit Hans-Jochen Vogel, Matthias Platzeck, Kurt Beck und Franz Müntefering sprechen sich vier ehemalige SPD-Vorsitzende dafür aus, ebenso wie drei frühere Juso-Chefs. Auch Erhard Eppler, Wolfgang Thierse und Gesine Schwan plädieren für Verhandlungen.
von Lars Haferkamp · 19. Januar 2018
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Kurz vor dem SPD-Parteitag in Bonn mehren sich die Stimmen prominenter Sozialdemokraten, die sich nachdrücklich für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aussprechen. Unter ihnen sind die vier ehemaligen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel, Matthias Platzeck, Kurt Beck und Franz Müntefering ebenso wie die drei früheren Juso-Chefs Niels Annen, Björn Böhning und Benjamin Mikfeld. Auch der als SPD-Vordenker bekannte Ex-Bundesminister Erhard Eppler, der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und die zweifache SPD-Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan unterstützen Verhandlungen zur Bildung einer großen Koalition.

Müntefering: Nein zu Verhandlungen „elender als eine Niederlage“

Ex-Parteichef Franz Müntefering warnt im „Tagesspiegel“ vor einer Ablehnung von Koalitionsverhandlungen: „Die SPD gibt ein Spiel verloren, ohne wirklich bis zur 90. Minute nach besten Kräften gekämpft zu haben. Das ist elender als eine Niederlage.“ Ein Nein des Parteitags würde bedeuten, dass die SPD sich von Europas Sorgen nicht beeindrucken lasse. „Sie wird eine derjenigen Sozialdemokratien werden, die in Europa keine Rolle spielen“, so Müntefering. „Nächstes Jahr ist Europa-Wahl.“ Auch würden die 2018 anstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern bei einem Nein des Parteitags „um einiges schwieriger“. Der Ex-SPD-Chef mahnt seine Partei: In der Opposition werde sie „keinen vereinbarten Einfluss auf die Regierungsarbeit haben und eine Oppositionspartei unter mehreren sein“.

Auch der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel empfiehlt die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. In einem Interview mit der „Rheinischen Post“ betont Vogel, „im Sondierungspapier sind mehr sozialdemokratische Positionen enthalten, als die gegenwärtigen, innerparteilichen Kritiker gelten lassen wollen. So etwa auf den Feldern Europa, Bildung, Rentenpolitik sowie der Verbesserung der Infrastruktur.“ Allerdings fehlten auch ihm die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und das Verbot sachgrundloser Befristung von Arbeitsverträgen. Vogel warnt seine Partei vor Neuwahlen: „Dass neue Wahlen für die SPD bessere Ergebnisse bringen, sehe ich nicht. Vielmehr ist ein weiterer Zulauf für die AfD zu erwarten.“

Beck: Beachtliche Verhandlungserfolge der SPD anerkennen

Der frühere SPD-Vorsitzende Kurt Beck hält „bei allen Sorgen für verantwortlich und auch für geboten“ Koalitionsverhandlungen zuzustimmen. Im „Tagesspiegel“ erinnert er seine Partei, „die Sozialdemokratie trägt Verantwortung für Deutschland“. Die SPD habe bei den Sondierungsgesprächen „beachtliche Erfolge“ erreicht, die sollten auch von den Kritikern „ehrlich gewürdigt und anerkannt“ werden. Wie Müntefering und Vogel warnt Beck die Gegner eine neuen großen Koalition vor den „Folgen eines Neins für die Zukunft der SPD“.

Zahlreiche weitere prominente Sozialdemokraten appellieren in einem Facebook-Aufruf direkt an die Delegierten des Parteitags. Unter dem Titel „Aus Verantwortung für Deutschland und Europa – und die SPD“ empfehlen sie, dass die Partei „nach Abwägung aller Argumente selbstbewusst in Verhandlungen“ mit der Union eintreten solle. „Daher rufen wir die Delegierten des bevorstehenden Bundesparteitags auf, die Chance auf solche Verhandlungen zu eröffnen“.

Im zenralen Kompetenzfeld Gerechtigkeit viel erreicht

Unterzeichnet haben den Appell der ehemalige SPD-Chef Matthias Platzeck, die drei früheren Juso-Chefs Niels Annen, Björn Böhning und Benjamin Mikfeld, der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und die ehemalige SPD-Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan, sowie zahlreiche andere prominente Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.

Sie argumentieren, die SPD habe „gerade in ihrem zentralen Kompetenzfeld der sozialen Gerechtigkeit Einiges erreichen können“. Als Beispiele werden die bessere Qualifizierung von Beschäftigten und Arbeitslosen genannt, die Wiederherstellung der Parität in der Gesetzlichen Krankenversicherung, die solidarische Grundrente, die Aufhebung des Kooperationsverbotes in der Bildungspolitik und der Richtungswechsel in der EU-Politik. „Dies alles wäre nicht in einer Minderheitsregierung unter der Führung der Union und schon gar nicht in einer Jamaika-Koalition möglich“, so die Unterzeichner. Eine Erneuerung der SPD und eine Regierungsbeteiligung seien kein Widerspruch. „Im Gegenteil: Neues Vertrauen erwächst aus Selbstbewusstsein und konkretem Handeln in Verantwortung für die Menschen in Deutschland und Europa.“

Eppler: „Ich bin für das Ja.“

Der frühere Bundesminister und Chef der SPD-Grundwertekommission Erhard Eppler spricht sich klar für Koalitionsverhandlungen aus. In der „Süddeutschen Zeitung“ mahnt Eppler die SPD: „Eine Partei, die seit 150 Jahren der deutschen Demokratie dient, kann nicht einfach zusehen, wie die Republik ohne eine regierungsfähige Koalition bleibt.“ An den Parteitag in Bonn richtet er eine klare Botschaft: „Ich bin für das Ja.“ Auch Eppler warnt vor den Schwierigkeiten, in die Neuwahlen die SPD bringen würden. „Neuwahlen in den nächsten Monaten würden uns ankämpfen lassen gegen das Argument: Wozu wollt ihr unsere Stimme?“ Zugleich macht er seiner Partei Mut: „Wenn wir bereit sind, das zu tun, wofür wir bekannt sind: dass wir Verantwortung übernehmen, auch wenn es uns nicht nützen muss, haben wir eine Chance, den Abwärtstrend zu stoppen.“

 

 

 

 

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