Eva Högl: Legale Einreisewege statt Politik der Abschottung
Derzeit befinden sich weltweit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht – dies ist die höchste Zahl, die jemals vom Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) verzeichnet wurde. Und sie wächst täglich weiter. Angesichts der Krisen in der Welt suchen immer mehr Menschen auch in Deutschland Zuflucht. Wir wollen möglichst vielen Personen Schutz vor Verfolgung bieten und unserer humanitären Verantwortung gerecht werden. Zugleich stehen wir vor der großen Herausforderung, wie Bund, Länder und Kommunen angemessen auf die wachsende Zahl an Flüchtlingen reagieren können, Verfahren gerecht, sorgfältig und schnell durchgeführt und wie die Versorgung sichergestellt wird. Die menschenwürdige Unterbringung hat für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten oberste Priorität.
Jüngstes Asylpaket als „großer Schritt nach vorn“
Mit den Maßnahmen des Asylpakets und dem jüngsten Beschluss der Parteivorsitzenden haben wir große Schritte nach vorn gemacht: Wir beschleunigen die Asylverfahren und führen die Personen konsequent zurück, die keine Perspektive bei uns haben. Als Gesetzgeber sorgen wir mit der monatlichen Pauschale des Bundes für die Länder dafür, dass die Länder und Kommunen entlastet und die Kosten fair geteilt werden. Zudem legen wir den Grundstein für die rasche Integration der Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt.
Auch richtig sind die Maßnahmen zur Stärkung der Seenotrettung und der Bekämpfung der Schlepperkriminalität ebenso wie die Bekämpfung der Fluchtursachen. Wir müssen aktiv daran mitwirken, dass die Herkunftsländer den Menschen wieder eine Zukunft bieten. Zudem brauchen die Transitstaaten wie die Türkei oder der Libanon unsere volle Unterstützung. Diese zu stabilisieren und eine Ausdehnung von Konflikten zu verhindert ist eine zentrale Aufgabe der Europäischen Union.
Legale Einreisewege müssen Politik der Abschottung ersetzen
Was Deutschland und Europa tatsächlich fehlt sind legale Einreisemöglichkeiten. Die Situation ist gekennzeichnet von illegaler Wanderung, da es kaum eine Möglichkeit der legalen Einreise gibt. Die zentrale Frage lautet: Wie können Flüchtlinge auf ihrer Suche nach Schutz Europa erreichen? Die Antwort darauf sind legale Einreisewege, anstatt diese Menschen der lebensgefährlichen Reise über das Mittelmeer oder der beschwerlichen Route über den Westbalkan auszusetzen. Eine Politik der Abschottung erschwert es den Menschen in Europa um Schutz zu bitten.
Visaerleichterungen und flächendeckende Hotspots zur Registrierung an Europas Außengrenzen sind notwendige Schritte, auch eine solidarische Verteilung würde hier sehr helfen. Wir brauchen sowohl den Schutz der Menschen als auch den Schutz der Grenzen.
Einwanderungsgesetz ist zwingend erforderlich
Noch wichtiger ist es jedoch, auch ein Einwanderungsgesetz zu verabschieden, das die legalen Einreisemöglichkeiten für Arbeitsmigrantinnen und -migranten erweitert. Viele Asylantragstellerinnen und -antragsteller fliehen vor Krieg und Verfolgung. Es gibt auch viele andere, die in Deutschland eigentlich kein Asyl, sondern Arbeit suchen. Natürlich ist es nachvollziehbar, für sich und seine Familie ein besseres Leben anzustreben. Das Asylverfahren ist dann jedoch der falsche Weg, der oft wirtschaftlich perspektivlosen Situationen in den Herkunftsländern zu entkommen.
Es ist daher unbedingt erforderlich, diesen Menschen eine Alternative zum Asylrecht anzubieten, auch um das Asylsystem zu entlasten. Wir haben schon viele gute Regeln für Akademikerinnen und Akademiker und Fachkräfte erreicht. Daneben haben wir gerade einen weiteren Schritt zur Entlastung des Asylsystems unternommen, indem wir Arbeitsvisa für Menschen vom Westbalkan eingeführt haben. Nun müssen wir ein Einwanderungsgesetz formulieren, das eine moderne, unkomplizierte und transparente Arbeitsmigration nach Deutschland möglich macht und Zuwanderung noch stärker mit Integration verbindet.
Thomas Trutschel/photothek.net
ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion