Inland

Eva Högl: „Ein Meilenstein in der Migrationspolitik“

Endlich ein Einwanderungsgesetz, Verbesserungen für Geflüchtete in Ausbildung, Durchsetzung geltender Gesetze: SPD-Fraktionsvize Eva Högl verteidigt das Gesetzespaket zu den Themen Migration und Integration, über das am Freitag der Bundestag abstimmen soll.
von Benedikt Dittrich · 6. Juni 2019
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Frau Högl, am Freitag stehen wichtige Abstimmungen zum Thema Migration und Einwanderung an. Worum geht es in den verschiedenen Gesetzen konkret?

Wenn alles glatt geht, haben wir am Freitag erstmals ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Dafür engagieren wir uns seit 20 Jahren, es ist ein Meilenstein in der Migrationspolitik und ein weiterer Baustein eines modernen Zuwanderungsrechts. Wir sagen Menschen aus der ganzen Welt: beginnt hier eine Ausbildung, eine Arbeit oder sucht einen Arbeitsplatz. Wir brauchen mindestens 100.000 Personen jährlich, die bei uns arbeiten, um unsere Wirtschaft, unseren Wohlstand aufrecht zu erhalten. Dass Menschen künftig ohne Arbeitsplatzzusage für ein halbes Jahr nach Deutschland kommen können und dann vor Ort nach Arbeit oder Ausbildung suchen können, ist ein Verdienst der SPD.

Was ist der Unterschied zur jetzigen Situation?

Wir haben noch gar kein Einwanderungsgesetz. Es können bisher nur Akademiker*innen oder Arbeitskräfte für Mangelberufe zu uns kommen. Das ändern wir. Zukünftig können sowohl Fachkräfte mit Hochschulabschluss als auch mit einer qualifizierten Berufsausbildung zu uns kommen – und zwar in allen Branchen und Berufen und ohne Vorrangprüfung.

Was ändert sich für Geflüchtete, die derzeit noch in der Ausbildung sind?

Denen wollen wir eine langfristige Perspektive bieten. Von vielen Verbänden und Unternehmen wurde immer wieder kritisiert, dass die Falschen abgeschoben werden, nämlich diejenigen, die sich integrieren. Bisher konnten Geflüchtete, obwohl sie die Sprache lernen und eine Ausbildung absolvieren, trotzdem abgeschoben werden. Das beenden wir.

Neben diesen sozialdemokratischen Vorhaben werden auch Forderungen der Union umgesetzt – warum wird über die Ankerzentren abgestimmt?

Das ist eine Vereinbarung des Koalitionsvertrags, der von zwei Dritteln unserer Mitglieder so verabschiedet wurde. Darin steht, dass wir Ankerzentren einrichten werden. Länger als 18 Monate sollen sich die Menschen dort nicht aufhalten müssen. Das ist eins zu eins das, was im Koalitionsvertrag steht.

Trotzdem entspricht das vielleicht nicht eins zu eins den Vorstellungen der SPD-Mitglieder?

Wir haben in dem ganzen Paket mit insgesamt sieben Gesetzen einen Dreiklang aus humanitärem Asylrecht, modernem Einwanderungsrecht und gezielter Integration. Es trägt eindeutig die Handschrift der Sozialdemokraten. Dazu gehört aber eben auch, dass Personen, die kein Bleiberecht haben, unser Land wieder verlassen müssen.

Das soll künftig auch über eine Abschiebehaft ermöglicht werden?

Haft und Gewahrsam sind für die SPD immer kritische Punkte. Allerdings verschärfen wir nur in Teilen die Bedingungen für Gewahrsam und Haft. Es geht nur um diejenigen, die Straftaten begangen haben, die eine falsche Identität vortäuschen oder die Mitwirkungspflichten verletzen. Die Haft muss von einem Richter angeordnet werden, dafür gibt es hohe Hürden und es ist auch nur die allerletzte Option. Es gibt aber Einzelfälle, in denen es ohne nicht geht. Das ist übrigens schon jetzt geltende Rechtslage. Der Vorwurf, wir würden jetzt flächendeckend Geflüchtete in Haft nehmen wollen, ist schlicht falsch.

Gilt das auch für den Punkt, dass die Polizei künftig Wohnungen durchsuchen darf, in denen sich ausreisepflichtige Personen aufhalten?

Wir unterscheiden zwischen Betreten und Durchsuchen. Es muss vorher festgestellt werden, dass die Person, die abgeschoben werden soll, sich in der Wohnung aufhält. Eine Durchsuchung geht sowieso nur nach Beschluss eines Richters, daran ändert sich nichts. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein Grundrecht und das halten wir ein.

Die Rede war vorab von einem neuen Status, auch als „Duldung light“ bezeichnet. Welche Menschen fallen in diese neue Kategorie?

Diesen Status gibt es in dem aktuellen Entwurf nicht mehr, den haben wir gegen den Widerstand der Union wegverhandelt. Was in dem Entwurf steht, ist eine Duldung bei ungeklärter Identität. Wir erwarten, dass diese Personen etwas tun, um ihre Identität zu klären. Die Geflüchteten können sich jederzeit ehrlich machen, zum Beispiel Tatsachen an Eides statt versichern. Dann wird der Status geändert, auch rückwirkend. Wir verlangen nicht, dass Geflüchtete, die ihre Dokumente weggeworfen haben, um überhaupt fliehen zu können, sie in ihrer Heimat, wo ihnen womöglich die Todesstrafe droht, wieder besorgen müssen.

Muss denn das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden?

Ja, wir müssen aufs Tempo drücken. Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Integrationsgesetz, das sonst im Sommer auslaufen würde, müssen wir noch durch den Bundesrat. Das Gesetz für Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung soll ab August in Kraft treten, damit wir möglichst schnell für viele junge Leute eine dauerhafte Perspektive schaffen können. Außerdem soll das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ab Januar gelten. Die Behörden brauchen dafür einen Vorlauf von etwa einem halben Jahr.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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