Eva Högl: „Bessere Kontrolle der Geheimdienste durch das Parlament“
Sie haben gefordert, dass sich Angela Merkel für die Aufklärung der Zusammenarbeit zwischen BND und NSA „an die Spitze der Bewegung“ stellt. Was genau erwarten Sie von der Bundeskanzlerin?
Als erstes müssen die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses die so genannte Selektorenliste bekommen, also die Liste mit Suchbegriffen, die zwischen BND und NSA ausgetauscht wurden. Ich gehe davon aus, dass die NSA einer Herausgabe nicht zustimmen wird, aber letztlich liegt es im eigenen Ermessen der Bundeskanzlerin, ob sie die Liste herausgibt oder nicht. Ich erwarte, dass Angela Merkel und die Bundesregierung alles tun, um den NSA-Untersuchungsausschuss zu unterstützen und die Affäre aufzuklären. Es wird auch darum gehen, wer wann welche Informationen an wen weitergegeben hat.
Kann die derzeitige Affäre ohne personelle Konsequenzen bleiben?
Personelle Konsequenzen stehen nicht im Zentrum der Debatte. Natürlich tragen bestimmte Personen, allen voran Angela Merkel als Bundeskanzlerin, eine besondere Verantwortung. Aber es geht nun um eine Aufklärung der Sache. Wenn sich daraus ergibt, dass Personen ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind, kann man immer noch über Konsequenzen nachdenken.
Die SPD fordert schon länger eine Reform der Geheimdienste. Wie soll die aussehen?
Wir brauchen endlich klarer gefasste Rechtsgrundlagen für unsere Geheimdienste – vor allem bei der Auslandsüberwachung. Hier werden wir als SPD bald ganz konkrete Vorschläge machen. Wir müssen ein für alle Mal festlegen, was Nachrichtendienste hier dürfen und was nicht. Bisher gibt es einen Wust an bilateralen Vereinbarungen, Geheimabsprachen und Dienstanweisungen. Als zweites brauchen wir eine effektive Kontrolle der Geheimdienste durch das Parlament mit einem größeren Arbeitsstab und mehr Unterstützung für die zuständigen Abgeordneten. Drittens sollte viel mehr als bisher in der Öffentlichkeit darüber gesprochen werden, was die genauen Aufgaben der Geheimdienste sind, woran sie arbeiten und wie sie kontrolliert werden. Das geht natürlich nur in einem bestimmten Rahmen, der die Arbeit der Dienste nicht gefährdet. Viertens müssen wir von einer Informationspolitik wegkommen, bei der die Dienste, das Bundeskanzleramt und das Innenministerium nur Häppchen liefern.
Das Parlamentarische Kontrollgremium, mit dem der Bundestag die Arbeit der Geheimdienste überwacht, scheint seiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Wie kann es gestärkt werden?
Wir brauchen vor allem mehr und besser qualifiziertes Personal, einen richtigen Arbeitsstab, in dem z.B. auch Techniker sitzen, die sich mit der Übermittlung von Daten und ähnlichen Details auskennen. Wichtig sind aber auch qualifizierte Kräfte, die selbstständig Kontrollen vor Ort durchführen können. All das kostet natürlich Geld.
Den Vorschlag eines Beauftragten für die Geheimdienste aus dem Reihen des Parlaments, ähnlich dem Wehrbeauftragten, lehnen Sie ab. Warum?
Weil uns so eine einzelne Person außerhalb des Parlaments nicht weiterbringen würde. Ich möchte eine bessere Kontrolle der Geheimdienste unmittelbar durch das Parlament erreichen. Das bedeutet auch, dass die Opposition ihre Rechte behält und ausbauen kann. Bei einem solchen Beauftragten besteht die Gefahr, dass die Person zu stark durch die jeweils bestehende parlamentarische Mehrheit bestimmt wird. Ein einzelner Beauftragter würde bedeuten, dass die Kontrolle nur ein einziges Gesicht hätte. Ich will aber eine breite Kontrolle durch das gesamte parlamentarische Spektrum. Dort muss angesetzt werden durch eine massive Stärkung des Kontrollgremiums selbst.
Sehen Sie bei den Geheimdiensten denn einen Willen zur Reform?
Ohne das Bewusstsein und den Willen der Geheimdienste geht es natürlich nicht. Ich sehe da auch durchaus positive Signale. BND-Präsident Gerhard Schindler hat ja in den vergangenen Monaten bereits einiges angestoßen. Ich ermutige die Verantwortlichen in den Nachrichtendiensten ausdrücklich, im eigenen Interesse die dringend notwendigen Reformen weiter voranzutreiben und die aktuelle Affäre zum Anlass zu nehmen, ihre eigene Arbeitsweise kritisch zu überprüfen und Fehler abzustellen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.