Inland

Europas Irrweg

von Sebastian Zajonz · 7. Januar 2011
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Der Autor erzählt sehr anschaulich über den Mikrokosmos Brüssel, über die Prozesse und die Verfahren, die für Außenstehende oftmals unverständlich wirken. Er geht ein auf das Zusammenwirken der Institutionen und erklärt, warum Themen aufgegriffen, wie Entscheidungen getroffen werden und das Leben der Bürger beeinflussen.

An vielen Einzelfällen sieht Bittner drei große Fehler, die die EU immer wieder macht.

"Kleines zu groß, Großes zu klein"

Die EU findet oftmals nicht das angemessene Format für ihre Handlungen. Kleines wird zu groß und Großes zu klein behandelt. Anhand der Abschaffung der Glühbirne zeigt Jochen Bittner, was er meint. Obwohl dieses Thema kaum in den Bereich der EU Regulierung fällt, wurde das Thema mit großer Eile behandelt, da es gut in die Umweltziele der EU passt. Dabei stand weniger das Wohlbefinden der Bürger im Vordergrund als vielmehr die Einsparziele der Kommission.

"Weiches zu hart und Hartes zu weich"

Der Bereich Weiches zu hart und Hartes zu weich stellt dar, dass die EU, insbesondere das Parlament, die eigene Rolle noch nicht definiert haben und die Abläufe noch eingeübt werden müssen. Im Innenverhältnis probte das Parlament mit dem Swiftabkommen schon seine Macht. Nach außen hingegen spricht die EU noch zu selten mit einer Stimme, ob es um die Gaslieferungen aus Russland oder das Atomprogramm in Teheran geht.

"Oben zu schell, Unten zu langsam"

Als dritten Fehler sieht Bittner das Vorpreschen der Elite. Das Nein der Iren zum Vertrag von Lissabon wurde weniger als Votum des Volkes, sondern vielmehr als Betriebsunfall angesehen. Die Ratifizierung wurde in den anderen Ländern fortgesetzt. An der Ausgestaltung des Vertrags wurde kaum etwas geändert.

Vielen Politikern in der EU geht der Einigungsprozess zu langsam voran und sie finden die oftmals EU-skeptische Haltung der Bevölkerung irritierend meint Bittner. Nur so ließen sich Haltungen wie zum Beispiel die des irischen Europaministers erklären, der vor der Abstimmung davon sprach, dass es keine zweite Volksabstimmung zum Vertrag von Lissabon geben werde. Mit dieser Haltung verstärke die europäische Elite ebenfalls das Gefühl der Bürger, nicht Teil des Prozesses und für das Ergebnis irrelevant zu sein.

Das Buch wirft auch einen kritischen Blick auf die Befugnisse Europas und sieht die EU seit dem Vertrag von Lissabon an einem Scheidepunkt. Anstelle einer EU und insbesondere eines Parlaments mit mangelnden Regelungskompetenzen, ist für Jochen Bittner nun die Gefahr eines unbegrenzten Europas größer. "So nicht, Europa!" stellt auch eine Mahnung an die Nationalstaaten dar, durch eine genaue Kontrolle der Brüsseler Kompetenzen eine Balance zwischen Nationalstaat und europäischer Ebene zu finden.

Das Buch ist eine Reise durch den Kosmos EU. Es erlaubt auf unterhaltsame Weise tiefe Einblicke in deren Strukturen und trägt zu einem besseren Verständnis von Brüssel bei. Daher ist es für alle empfehlenswert, die sich nicht mit den Informationshäppchen der Tagespresse zur EU zufrieden geben, sondern verstehen wollen, wie ein Großteil der neuen Gesetze zustandekommt.

Jochen Bittner: "So nicht, Europa! Die drei großen Fehler der EU", Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2010, 287 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-423-24833-4

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Autor*in
Sebastian Zajonz

Redakteur in München

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